von Sarah Stutte
So lautete ein Facebook-Kommentar nach der Todesmeldung von Brittany Murphy im Dezember des letzten Jahres. Ein wenig übertrieben vielleicht, doch mit einem Fünkchen Wahrheit. Denn die 32-jährige ist nur der jüngste Name einer ganzen Reihe von kurzen Biografien in Hollywood. Ein Querschnitt.
Nachdem wir uns gerade einigermassen von Heath Ledgers und Michael Jacksons plötzlichem Ableben erholt hatten, ereichte uns kurz vor Weihnachten 2009 die nächste Schreckensnachricht aus Hollywood: Brittany Murphy starb völlig unerwartet in den frühen Morgenstunden des 20. Dezembers an Herzversagen. Zurückzuführen sei dies auf einen angeborenen Herzfehler, lautete die Erklärung von Mutter und Ehemann. Da sie zum Zeitpunkt ihres Todes aber erst 32 Lenze zählte, wollte daran niemand so recht glauben. Und während die Ergebnisse der offiziellen Untersuchung nach wie vor ausstehen, überschlagen sich die Gerüchte über Magersucht, Drogen- und Medikamentenmissbrauch, aufgrund jahrelanger Depressionen, in den Internet-Foren und Klatschblättern.
Die üblichen Verdächtigen also, wenn es um ungeklärte Todesfälle von Stars geht. Und selbst wenn man weiss, wie bei Ledger und unzähligen anderen, dass da irgendwas mit Medikamenten und Drogen im Busch war, reissen die Diskussionen nicht ab. Hat Heath Ledger sich nun selbst umgebracht? Und wer mischte Marylin Monroe was ins Glas? Aufgeklärt wird da nicht wirklich was und vielleicht will das auch niemand so richtig. Denn Verschwörungstheorien sind durchaus interessanter als die nackte Realität und passen darüber hinaus besser zur Aura der Unerreichbarkeit, die die Celebritys umgibt. Ihr Tod macht sie schon greifbar genug.
Besonders wenn sie jung waren, bekommen wir es nicht auf die Reihe. Denn in unseren Köpfen scheint Jugend und Ruhm eine Art Schutzpanzer gegen jegliche äussere Einflüsse zu sein. Rational betrachtet wissen wir, dass Probleme auch vor der Traumfabrik nicht halten machen, sie diese sogar in den meisten Fällen erst gebiert, denn das Leben im Zeitraffer fordert seinen Tribut. Doch dann sind wir trotzdem wieder bestürzt, wenn ein talentierter, junger Mensch abtritt. Unter Umständen genau deswegen: wir weinen dem verschwendeten Können hinterher, dem Grossen, zu dem besagter Schauspieler unserer Meinung nach noch fähig gewesen wäre. Allenfalls wären aber unserer Erwartungen nie erfüllt worden. Vermutlich hätten ein Heath Ledger oder eine Brittany Murphy noch gute Filme gemacht, vielleicht aber auch nicht. Möglicherweise hätten sie keine Lust mehr aufs Showbiz gehabt und sich ins Private zurückgezogen oder hätten ihr Leben sonstwie nicht auf die Reihe bekommen. Who knows? Fakt ist, der Stress, dem man in Hollywood ausgesetzt ist, geht über unsere Vorstellungskraft hinaus und nimmt keine Rücksicht auf Krankheiten oder private Konflikte. Fakt ist, dass früher Ruhm genauso tödlich sein kann, wie der plötzliche Entzug des Erfolgs. Und Fakt ist, dass die Liste derer, die aus genau diesen Gründen in Hollywood nicht alt wurden, endlos lang ist.
Viele Schauspieler, die ihre Karrieren schon als Kinder begannen, hatten früher oder später ein ziemlich grosses Suchtproblem am Hals. Nur wenige, wie etwa Drew Barrymore, schafften rechtzeitig den Absprung. Exakt eine Woche vor Ledger starb 2008 Brad Renfro, der als zwölfjähriger vor allem durch seine Rolle in The Client (1994) bekannt wurde. Grossartig fand ich ihn in The Cure (1995), Sleepers (1996), Apt Pupil (1998) und Bully (2001). Doch schon bei den Dreharbeiten zu Bully, bei dem der damals 18-jährige Renfro auch als Produzent fungierte, war er so stark drogenabhängig, dass der Film fast nicht fertig gestellt werden konnte. Therapien halfen in den Jahren darauf nicht, eine Überdosis brachte ihn mit 26 Jahren um. River Phoenix (Stand by Me, Mosquito Coast, beide 1986) war 1993 sogar noch drei Jahre jünger, als er nach einem tödlichen Speedball in den Armen seines Bruders Joaquin (Walk the Line) vor Johnny Depps Viper Room zusammenbrach. Seine Rolle als schwuler Stricher mit Narkolepsie in My Own Private Idaho (1991), gehört für mich zu den besten schauspielerischen Leistungen ever. Doch auch bei uns weniger bekannte Akteure verfielen dem Rauschgift. Anissa Jones, die Mitte der 60er eine Hauptrolle in der US-amerikanischen Serie Family affair (Lieber Onkel Bill) spielte, setzte sich 1976 mit 18 Jahren im Haus ihres Freundes den Goldenen Schuss. Der Gerichtsmediziner bestätigte den schlimmsten Drogenmissbrauch, den er je gesehen hätte. Bis heute ist jedoch nicht sicher, ob Jones unbeabsichtigt verstorben ist oder Suizid begangen hat. Bridgette Anderson, überlebte 1997 eine Mischung aus Heroin- und Alkoholkonsum zwei Monate vor ihrem 22. Geburtstag genauso wenig. Sie war durch zahlreiche Auftritte in bekannten TV-Serien wie Remington Steele, Hotel und Golden Girls bekannt geworden und spielte 1982 die Hauptrolle im Film Savannah Smiles. Ein paar Monate vor ihrem Tod bekam sie die Zusage für eine Rolle in einem Filmprojekt, das aufgrund der tragischen Ereignisse nie in Angriff genommen wurde. Ashleigh Aston Moore war 1995 die junge Chrissy DeWitt im Film Now and Then und 2007 ein weiterer, ehemaliger Kinderstar, den das Heroin zugrunde richtete. Sie wurde nur 26 Jahre alt.
Sich früh das Leben zu nehmen, funktioniert auch ohne Drogen. Jungschauspieler Jonathan Brandis erlebte sein berufliches Hoch in den frühen 90ern, als er unter anderem in den Filmen The Neverending Story II: The Next Chapter (Die unendliche Geschichte II), Stephen Kings It (Es) und der TV-Serie SeaQuest DSV zum Hauptcast gehörte. Dann kam die Karriere nicht mehr in Schwung, Brandis fiel in ein Loch und litt an Depressionen. Im November 2003 wollte ihn ein Freund in seiner Wohnung in L. A. besuchen und fand den 27-jährigen Darsteller leblos an einem Strang baumelnd. Ungebrochenen Erfolg hingegen hatte der Autor und Schauspieler Barry Brown, der unter anderem tragende Rollen im Western Bad Company (1972, neben Jeff Bridges) und der Romanverfilmung Daisy Miller (1974) verkörperte. Aus bis heute ungeklärten Gründen brachte er sich, im gleichen Alter wie Brandis, 1978 um. Doppelt tragisch: seine jüngere Schwester Marilyn, die ebenfalls als Aktrice tätig war, sprang genau zwanzig Jahre später von einer Brücke in den Tod. David Strickland wurde vor allem durch die Rolle des Musikjournalisten Todd Styles in der Sitcom Susan (mit Brooke Shields) bekannt. Er war manisch-depressiv und hatte Zeit seines Lebens Suchtprobleme. 1999 erhängte er sich mit 29 Jahren in einem Hotelzimmer in Las Vegas. Nach seinem Tod wurde seine Rolle in der noch laufenden Produktion der Sitcom nicht neu besetzt. Stattdessen gedachte man seiner in einer Episode, in der die Figur spurlos verschwindet und sich nur erahnen lässt, was mit ihr geschah. Die Folge schliesst mit der Widmung: „Die Götter der Komik schauten auf Dich herab und lächelten.“
Scotty Beckett spielte als Kind bei Our Gang (Die Kleinen Strolche) mit, startete aber später eine kriminelle Karriere mit Scheckbetrug und Raubüberfällen, um sich unter anderem seine Drogensucht finanzieren zu können. 1959 verursachte er unter Alkoholeinfluss einen schweren Autounfall, nach dem er sich nur noch mithilfe von Krücken fortbewegen konnte. Er misshandelte seine insgesamt drei Ehefrauen, bis ihn jede schlussendlich verliess. Nach einem geplatzten Drogendeal war er auf der Strasse zusammen geschlagen worden und checkte im Mai 1968 in einem Pflegeheim in Hollywood ein. Einige Tage später wurde der 38-Jährige tot in seinem Zimmer gefunden. Nach zwei erfolglosen Selbstmordversuchen war er schliesslich erfolgreich.
Die Mordopfer
Auch wenn man mit sich und dem Beruf im Reinen ist, garantiert dies in Hollywood noch kein langes Leben. Die hochschwangere Sharon Tate (The Fearless Vampire Killers, Valley of the Dolls) wurde im August 1969 in ihrem Haus in Los Angeles von Anhängern der Manson-Family überwältigt und mit 16 Messerstichen getötet. Auslöser für diese Bluttad war die kranke Ideologie der Sekte, provokante Schläge gegen die weisse Oberschicht zum einen und gegen die schwarze Unterschicht zum anderen auszuführen, um beide Seiten gegeneinander aufzuhetzen. Die 26-jährige Tate und ihr damaliger Ehemann Roman Polanski standen als prominente Filmschaffende exemplarisch für diese weisse Oberschicht und wurden deshalb vermutlich eher willkürlich ausgewählt. Auch Neid, Stalking, Beziehungs- oder Familienprobleme haben sich in einigen Fällen so dramatisch zugespitzt, dass die darin involvierten Schauspieler dies mit ihrem Leben bezahlen mussten. Die zehnjährige Judith Barsi spielte früh in mindestens 50-100 Werbespots und etlichen Fernsehserien mit. Darauf folgten Rollen in grösseren Kinofilmen: Eye of the Tiger (1986) oder Jaws: The Revenge (Der weisse Hai 4 – die Abrechnung, 1987). Im Zuge des Erfolges der Tochter zeigten sich beim Vater, einem Alkoholiker, zunehmend paranoide Züge. Nach mehreren vorangegangenen Bedrohungen erschoss er im Juli 1988 seine Tochter und seine Frau, zündete das gemeinsame Haus an und richtete sich selbst.
Die aufstrebende Rebecca Schaeffer (war im Woody Allen-Film Radio Days zu sehen und Voyage of Terror: The Achille of Lauro Affair), wurde von Robert John Bardo getötet, einem 19-jährigen Stalker, der ihr Liebesbriefe schrieb und über Schaeffers Agentur herausgefunden hatte, wo sie lebte. An einem Julimorgen 1989 war die 21-jährige gerade auf dem Weg zu einem Castingtermin für Francis Ford Coppolas The Godfather: Part III. Vor dem Termin hatte sie Robert John Bardo auf der Strasse ein Autogramm gegeben. Zwanzig Minuten später stellte er sich ihr auf dem Bürgersteig wieder in den Weg und wollte diesmal mit ihr sprechen. Augenzeugenberichten zufolge soll Rebecca Schaeffer höflich verneint haben, da sie noch andere Termine habe. Darauf zog Bardo eine Waffe, die er in einer Tasche bei sich getragen hatte und schoss Schaeffer in die Brust. Der Schuss traf die Schauspielerin direkt ins Herz. Ihr damaliger Freund, Brad Silberling, verarbeitete die Ermordung seiner Freundin mit dem Film Moonlight Mile, für den er das Drehbuch schrieb und Regie führte.
1982, nur fünf Monate, nachdem sie in der Rolle der älteren Schwester Dana in Tobe Hoppers Poltergeist Berühmtheit erlangte, wurde Dominique Dunne (22), die Schwester von Griffin Dunne (After Hours), ermordet. Ihr Ex-Freund John Thomas Sweeney wollte nicht akzeptieren, dass sie ihm den Laufpass gab, nachdem er sie während ihrer Beziehung vermehrt geschlagen und misshandelt hatte. Im Oktober 1982 suchte er Dominique Dunne deshalb zuhause auf und wollte sie zwingen, sich mit ihm zu versöhnen. Als sie verneinte, würgte Sweeney seine Ex-Freundin bis zum Hirntod. Nach fünf Tagen im Koma, wurden schliesslich die lebenserhaltenden Massnahmen eingestellt, da die Ärzte der Familie keine Hoffnung mehr machten. John Thomas Sweeney wurde zu einer Haftstrafe von sechseinhalb Jahren verurteilt und nach drei Jahren und acht Monaten vorzeitig aus der Haft entlassen.
Man munkelt, dass die Horrofilm-Reihe sowieso unter einem schlechten Stern stand. Denn sechs Jahre später starb auch die zwölfjährige Heather O’Rourke, Darstellerin der kleinen Carol-Anne in allen drei Poltergeist-Filmen. Wegen Termindrucks infolge zahlreicher Rollenverpflichtungen, liess sie eine chronische Darmentzündung nicht rechtzeitig behandeln. Diese entwickelte sich zu einem tödlichen Darmverschluss, so dass eine Notoperation nichts mehr half. Die zwölfjährige ist kein Einzelfall, wenn es darum geht, Krankheiten auf die leichte Schulter zu nehmen. Die junge Stummfilmschauspielerin Lucille Ricksen fühlte sich schon 1924 krank, spielte aber noch in zehn weiteren Filmen mit, bevor sie sich 1925 ärztlich untersuchen liess. Mit 15 Jahren starb sie an Tuberkulose. Auch tödliche Unfälle von jungen Hollywoodstars sind keine Seltenheit, denkt man an James Dean, Natalie Wood oder Brandon Lee. In dieser Kategorie könnte man eher von einem Fluch sprechen, der auf der Serie Die Kleinen Strolche lag, denn die meisten Kinderdarsteller erreichten kein hohes Alter. Carl Switzer (Alfalfa) wurde 32 Jahre alt. Bei einer tätlichen Auseinandersetzung wurde er durch einen Schuss tödlich verwundet. Bobby Hutchins (Wheezer) starb mit 20 Jahren auf einem Militärflug im 2. Weltkrieg, Norman Chaney (Chubby) 18-jährig an einem Drüsenleiden. Und Billy Laughlin (Froggy) hatte das kürzeste Leben von allen: er wurde mit 16 Jahren von einem LKW angefahren und war auf der Stelle tot.
Wer nun glaubt, dies seien einfach bedauerliche Einzelfälle, dem sei Tobey Maguire und seine eindrückliche Aufzählung toter Schauspieler in The Wonder Boys ans Herz gelegt. Mit den Worten “There are tons more”, beendete er diese. Es wird noch mehr geben. Denn Hollywood ist einfach nicht gut für die Gesundheit.
Bilder: v.o.n.u.
Sin City (2005): © Walt Disney Studios
Bully (2002): © Frenetic Films
The Neverending Story II – The next Chapter (1990): © Warner Bros.
Poltergeist (SE – DVD-Cover): © MGM
Leave a Reply