von Sarah Stutte

Januar
Dieser beginnt vielversprechend mit A Serious Man (Kinostart: 21.1), dem neuen Film der Coen Brüder. Eher Arthouse-Diamant denn grosse Oscar-Produktion (SchauspielerInnen sind weitestgehend unbekannt), steht hier der jüdische Physikprofessor Larry Gopnik im Mittelpunkt, dessen Leben 1967 gewaltig aus den Fugen gerät, als seine Frau sich in einen alten Knacker verliebt und die Scheidung will. Schräge Figuren, die in aberwitzige Situationen geraten und durchgeknalltes Zeug reden: im Coenschen Mikrokosmos wird man sich auch diesmal wiederfinden. Anders als das mainstreamige Burn After Reading scheint A Serious Man aber eine Spur kleiner und persönlicher zu sein. Die Regie-Brüder verarbeiten hier ihre eigene jüdische Kindheit und, den Trailern nach zu urteilen, entwerfen dabei eine liebevolle Karikatur der Religion. Eine gute Woche später kommen zwei Neulinge gleichzeitig in die heimischen Kinosäle: Cloudy with a Chance of Meatballs und Sherlock Holmes (Kinostarts: 28.1). In erstgenanntem Animationsfilm entwickelt ein verrückter Erfinder eine Maschine, die Essen produziert bis es Hamburger vom Himmel regnet. Und während bei uns das Klima verrückt spielt, gibt’s in der Trickwelt infolge der Völlerei essenstechnische Unwetter. Es scheint, als hätte Sony Pictures Al Gore zum Kaffee eingeladen. Doch von Eiskugeln erschlagen zu werden ist immerhin um einiges kreativer, als Roland Emmerichs Riesenwelle zu begegnen. Ein Wort zu Robert Downey Jr.: den fand ich schon immer klasse. Dass er dank Iron Man, nach zahlreichen Drogen- und Alkoholeskapaden, jetzt wieder dick im Geschäft ist, sei ihm zu gönnen. Die Neuverfilmung von Sherlock Holmes interessiert mich aber nicht nur seinetwegen, sondern weil hier die ganze antiquierte Schnösel-Detektiverei, die den Vorgängern anhaftete, von Kult-Regisseur Guy Ritchie (Snatch) komplett über den Haufen geworfen wird. Der neue Sherlock verspricht ein linkischer Draufgänger zu sein, der dicke Watson wird durch Jude Law verschönert und alles in allem eine ordentliche Schippe Action draufgepackt. So soll das sein.
Februar
Monat zwei hält ebenfalls einige cineastische Perlen parat. Zum Beispiel das ursprünglich schon auf letzten November angekündigte Remake des Horrorfilmklassikers The Wolfman (Kinostart: 11.2). In diesem verguckt sich der zum Raubtier mutierende Benicio Del Toro in Schönheit Emily Blunt. Die Auserwählte und des Werwolfs Vater (Anthony Hopkins), ahnen derweil natürlich nichts von der Gefahr, in der sie sich befinden. Die Szenenbilder sehen regnerisch-düster aus und verbreiten damit schon mal eine unheimliche Grundstimmung, die sich hoffentlich durch den ganzen Film ziehen wird. Grosse Erwartungen habe ich an die Bestsellerverfilmung The Lovely Bones (Kinostart: 18.2), da ich das Buch von Alice Sebold kenne und gespannt darauf bin, wie Peter Jackson nicht nur die fliegenden Übergänge von Phantasie- zu realer Welt gemeistert hat, sondern auch den harten, inhaltlichen Tobak, der im Roman explizit beschrieben wird. Zeigt er ihn genauso oder deutet er nur an? Denn auch, wenn wir geeicht darin sind, uns Horrorfilme anzusehen, in denen Menschen gefoltert werden: die Vergewaltigung und Ermordung eines kleines Mädchens auf einer grossen Leinwand mitzuverfolgen, zu wissen, dass die Autorin dies selbst so erlebt hat, katapultiert uns ziemlich schmerzvoll in eine Wirklichkeit, aus der wir sonst zu fliehen versuchen. Dass der Film optisch brillant sein wird, daran zweifle ich keine Minute. Mit Susan Sarandon, Rachel Weisz und der jungen Saoirse Ronan hat Jackson zudem ein tolles Schauspielensemble um sich gescharrt. Den Stempel Meisterwerk und den Oscar-Kurs kann eigentlich nur noch Mark Wahlberg verhindern. Denn vom grossen Talentkuchen hat dieser bisher noch nicht mal Krümel abbekommen. Da sich seine Mimik zudem auf zwei Gesten beschränkt, er hier aber den trauernden Vater spielt, kann ich mir eine überwältigende Performance zwar nicht vorstellen, lasse mich aber gerne eines Besseren belehren.
März
Ohne Tim Burton ist es einfach langweilig. Zum Glück läuft Alice in Wonderland (Kinostart: 4.3) schon so früh im Jahr an. Nichts anderes als ein weiteres abgefahrenes, grellbuntes, magisches und phantastisches Zauberstückchen wird hier die ZuschauerInnen geradewegs überrollen. Und das alles in 3D. Das Märchen von Lewis Carroll ist an sich schon ein einziger irrer Drogenrausch, wie geschaffen also für einen Film von Burton. Die schon gezeigten Bilder sehen demnach auch umwerfend aus und mit den üblichen Verdächtigen im Cast: Ehefrau Helena Bonham Carter und drittes Familienmitglied Johnny Depp, wird der Film sicherlich ein Highlight des Jahres. Was dem Burton sein Johnny, dass ist dem Scorsese sein Leo. Keine grosse Überraschung also, dass auch in Shutter Island (Kinostart: 4.3), dem neuen Film des Altmeisters, DiCaprio wieder die Hauptrolle übernimmt. In dem Thriller spielt er den US-Marshall Edward Daniels, der das mysteriöse Verschwinden von Schwerverbrechern auf einer Gefängnisinsel untersucht. Angeblich nimmt die Anstaltsleitung verbotene Experimente an ihren Insassen vor. Daniels Ehrgeiz wird zur Besessenheit, da er zudem mit dem Mörder seiner Frau abrechnen will, der auf Shutter Island einsitzen soll. Doch von dessen Existenz scheint die Gefängnisleitung nichts zu wissen. Das klingt alles recht spannend, zumal der Stoff ziemlich viele Wendungen zulässt, die Scorsese sicherlich auch so inszeniert hat. Da die Buchvorlage von keinem geringeren als Dennis Lehane (Mystic River) stammt, dürfte der Film wirklich gut werden.
Mitte des Monats kommt mal wieder was Witziges: The Men Who Stare at Goats (Kinostart: 11.3). Ein Reporter (Ewan McGregor) lernt einen Soldaten (George Clooney) kennen, der ihm eine unglaubliche Story erzählt. Er behauptet, einer geheimen Militäreinheit namens “New Earth Army” anzugehören, deren Mitglieder Gedanken lesen, durch Wände laufen und sogar Ziegen durch Angucken töten können. Nun ist der Gründer des Programms (Jeff Bridges) verschwunden und der loyale Soldat auf einer Mission, ihn zu finden. Im Schlepptau natürlich nun den Reporter, der die ganz grosse Schlagzeile wittert. Der Filmstoff basiert auf dem gleichnamigen Sachbuch-Bestseller von Guardian-Kolumnist Jon Ronson, der darin die teilweise absurden Versuche der US-Regierung beschreibt, übersinnliche Phänomene für ihre Kriegszwecke zu nutzen. Dass man daraus nur eine rabenschwarze Komödie machen kann, liegt auf der Hand. Eine Mischung aus Komödie und Drama ist I Love You Phillip Morris (Kinostart: 18.3), basierend auf dem gleichnamigen Buch von Steve McVicker. Gummigesicht Jim Carrey schlüpft darin in die Rolle von Steven Jay Russell, der zunächst ein gutbürgerliches Leben mit Frau und Kirchenchor führt, doch nach einer Nah-Tod-Erfahrung feststellt, dass er homosexuell ist. Um seinen neuen, extravaganten Lebensstil zu finanzieren, beginnt er damit, Unfälle vorzutäuschen und die Versicherungssummen zu kassieren. Bald sitzt er deswegen im Gefängnis und lernt dort den jungen Phillip Morris kennen und lieben. Von nun an versuchen die zwei auszubrechen, um draussen ein neues, gemeinsames Leben beginnen zu können. Das hört sich zwar sehr nach Slapstick an, doch Jim Carrey kann bekanntlich auch komisch sein, ohne albern zu wirken und Kritikern zufolge, die den Film schon 2009 auf dem Sundance Film Festival gesehen haben, ist die Liebesgeschichte sehr glaubhaft inszeniert. Zeitgleich zu Europa startet der Film in den USA. Trotz der erfolgreichen Buchvorlage, zwei zugkräftigen Schauspielern und Luc Besson als Produzent, wollte lange Zeit kein Verleih den Film wegen seines offenen Umgangs mit Homosexualität haben. Willkommen in der Post-Milk-Ära.
April
Direkt los geht es mit einer Reise zurück ins antike Griechenland. Im Remake des Fantasy-Streifens Clash of the Titans (Kinostart: 1.4) muss Perseus eklige Ungeheuer besiegen und harte Götterprüfungen über sich ergehen lassen, um das Leben seiner Angebeteten Andromeda zu retten. Liam Neeson mimt Göttervater Zeus, Ralph Fiennes gibt den Hades, dazu viele Kampfszenen und tolle Kulissen. Warner Bros. grübelt angeblich bereits an Fortsetzungen, da das Mythen-Epos bei Test-Screenings so gut ankam. Mit dem Heldenspektakel werde ich mir die Wartezeit auf Iron Man 2 (Kinostart: 29.4) verkürzen, der mit Mickey Rourke und Scarlett Johansson zwei neue Bösewichte am Start hat, angeblich mehr Action beinhaltet, tiefer in die Charakteren dringt und hoffentlich so schön lakonisch-zynisch und spritzig ist wie Teil 1.
Mai
Alles neu macht der Mai. In punkto Animationsfilm ist dies sicherlich der Fall. Fantastic Mr. Fox (Kinostart: 13.5), eine Stopmotion-Adaption des gleichnamigen Kinderbuches von Roald Dahl, erfindet zwar nicht das Rad neu, wird aber dank der anarchistischen Grundhaltung der Vorlage und der zu erwartenden eigenwilligen Umsetzung von Regisseur Wes Anderson (The Royal Tenenbaums, Darjeeling Limited) schon jetzt als genialster Animationsfilm des Jahrzehnts gehandelt. Mr. Fox war immer der beste Hühnerdieb weit und breit. Doch aus Liebe zu seiner Familie hat er seine Passion aufgegeben und führt nun mit dieser ein ruhiges Leben in einem Baum. Nebenbei schreibt er Kolumnen für eine Zeitung. Dummerweise liegen gleich nebenan die grössten Geflügelzuchten des Landes, die den reichen Bauern Grimm, Gräulich und Grob gehören. Mr. Fox plant also drei perfekte Raubzüge, worauf die sadistischen Bauern sein Heim unter Beschuss nehmen. Auch The Road (Kinostart: 13.5) liegt wiederum einem Bestseller – diesmal sogar einem Pulitzer-Preis-Gewinner – zugrunde. In dem apokalyptischen Drama ist die heutige Welt ausgelöscht, ein paar wenige Menschen leben in den Wäldern oder Häuserruinen. Raubmord und Kannibalismus sind an der Tagesordnung, um das nackte Überleben zu sichern. Ein namenloser Mann versucht der ständigen Todesgefahr zu entfliehen und wandert mit seinem Sohn auf einer einsamen Strasse Richtung Süden. Als Schutz führt er einen Revolver mit sich, in dem jedoch nur eine einzige Kugel steckt. Hollywood hat Erfolgsautor Cormac McCarthy entdeckt! Seit die Verfilmung seines Buches No Country for Old Men 2008 den Oscar für den besten Film erhielt, reissen sich die Filmemacher darum, seine Stoffe auf die Leinwand zu bringen. Auch The Road wird mit seiner düsteren Atmosphäre inmitten des minimalistischen Settings seine Wirkung sicher nicht verfehlen. Und dann ist sie endlich da, die Videospielverfilmung, die fast ein ganzes Jahr in der Postproduktion feststeckte: Prince of Persia – Sand of Time (Kinostart: 20.5). Regisseur Jerry Bruckheimer gab als Grund für die Verzögerung zwar an, er hätte ohne Terminstress einige Sequenzen verbessern wollen, doch meist ist es ja kein gutes Zeichen, wenn hinter verschlossenen Türen noch lange an einem eigentlich fertigen Produkt rumgeschraubt wird. Man mag sich nur wünschen, dass dies dem erhofften Augenschmaus keinen Abbruch tut. Ob jedoch ein durchtrainierter Jake Gyllenhaal, fliegende Teppiche und das magische 1001-Nacht Flair den kritischen Gamern standhalten kann, denen die detailgetreue visuelle Umsetzung heilig ist, wird sich zeigen. Denn mit ihnen steht und fällt die Anerkennung der als Trilogie angelegten Reihe, mit der Bruckheimer scheinbar eine Wiederholung des kommerziellen Erfolgs seiner Pirates of the Caribbean-Filme anstrebt.
Soviel zu meinen Highlights bis zum Sommer, was dieser, Herbst und Winter so bringen, wird hier im zweiten Teilnächste Woche zu lesen sein.
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