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Un prophète (2009)

14/01/2010 By (dap) Leave a Comment

Ein Prophet mit Narbengesicht

von Daniel Paredes

Brutale Gewalt, korrupte Ordnungshüter, ethnische Gruppenbildungen und Rassismus sowie gewisse Über- lebensregeln gehören zum Repertoire des Gefängnisfilms. Jacques Audiard verzichtet in seinem neuen Werk – in Cannes mit dem Grand Prix ausgezeichnet – nicht auf diese Versatzstücke des Genres, bricht sie aber gekonnt und spielt dank der aussergewöhnlichen Hauptfigur mit den Erwartungen des Zuschauers.

Der 19-jährige Araber Malik El Djebena muss für sechs Jahre ins Gefängnis von Brécourt und wird schnell mit der wichtigsten Überlebensregel vertraut: Ohne Freunde und Familie – drinnen oder draussen -, hält man es nicht lange durch. Gleich nach seiner Ankunft wird er mit dem brutalen Gefängnisalltag konfrontiert. Als unterstes Glied in der Nahrungskette gerät er in die Fänge der Korsen-Mafia, die auf den grauhaarigen Boss César Luciani hört. Sie zwingen ihn dazu, den Araber Reyeb, der ein Auge auf Malik geworfen hat, zu töten. Ohne Ausweg und mit viel Überwindung führt Malik die Tat aus. Fortan steht er zwar unter dem Schutz von Luciani aber befindet sich trotzdem zwischen den Fronten: Für die Araber ist er ein Korse und für die Korsen der unterjochte Araber. Als Malik in dem Araber Ryad schliesslich einen Freund findet, folgt er dessen Rat und nimmt an Schulkursen teil: lernt Lesen und Schreiben. Der junge Mann erweist sich im Laufe der Zeit als anpassungs- und lernfähig, weiss, dass er sich nie zweimal an der gleichen Stelle verbrennen darf. So wird er für Luciani zunehmend wichtiger, besonders als ein Grossteil der Korsen entlassen wird. Malik steigt in der Knast-Hierarchie auf, bleibt aber Lucianis Handlanger und freundet sich mit einem Zigeuner an, der ihm von einem lukrativen Drogengeschäft ausserhalb der Gitterzellen vorschwärmt. Als Luciani schliesslich seine Beziehungen spielen lässt, erhält Malik regelmässigen Freigang und darf das Gefängnis tagsüber verlassen. Während er draussen seinen Boss vertritt, baut er nebenbei auch ein Drogenkurrier-Geschäft in eigener Sache auf. Er wird zu einer immer grösseren Nummer, löst Probleme in und ausserhalb des Gefängnisses, muss jedoch stets seine Feinde im Auge behalten – nicht zuletzt auch César Luciani.

Audiards Filme sind Schauspielkino. Grenzüberschreitend nutzt er verschiedene Genres nur zur Rahmung. In erster Linie beschäftigt er sich mit den Darstellern, die eine Figur weiterentwickeln und ihn als Regisseur überraschen sollen. Diese Improvisationen werden dadurch möglich, weil Audiards Figuren dynamisch sind und er sie lern- und anpassungsfähig anlegt: In De battre mon coeur s’est arrêté (2005) eignet sich ein impulsiver Kleinkrimineller das Klavierspiel an; Sur mes lèvres (2001) handelt von einem Ex-Knacki, der sich in den Büroalltag integrieren muss und einer Lippenleserin, die ihre Fähigkeit zur Observierung von Kriminellen einsetzt; und in Un héros très discret (1996) spielt Mathieu Kassovitz einen Anpassungskünstler, der sich eine steile Militär-Karriere erschwindelt. Malik, gespielt von Tahar Rahim, der für seine Rolle den europäischen Filmpreis gewann, passt da bestens hinein.

Audiard erzählt quasi eine Vom-Tellerwäscher-Zum-Millionär-Story, nur dass die Handlung vorwiegend im Rahmen der dicken Betonmauern spielt und der Held sich vom Analphabeten zum Gangsterboss mausert. Maliks Vorteil für diesen Aufstieg ist dabei anfangs sein Nachteil, nämlich dass er nichts und niemanden hat, ein Waisenkind und Einzelgänger ist, der um das Überleben kämpfen muss. Anfangs wird er deshalb angreifbar, später wird seine Unabhängigkeit sein grösster Vorteil. Entscheidend hier ist seine Beziehung zu Luciani (ebenfalls grossartig: Niels Arestrup), die wesentlich zu seiner Charakterbildung beiträgt. Audiard deutet zwischen den beiden eine Vater-Sohn-Beziehung an, was dem Genre und den Erwartungen der Zuschauer gerecht werden würde. Für Luciani bleibt Malik jedoch ein Sklave, der zwar wie ein guter Hund gehorcht, den man aber mittels spontaner Gewalt einschüchtern und an der kurzen Leine halten muss. Diese unerwiderte Respekterweisung trägt zu Maliks Selbstfindung bei und macht ihn stark. Luciani sät mit eiserner Faust seinen stärksten Feind. Gewalt wird aber auch für Malik ein Mittel zum Zweck und ist Teil seiner Welt. Treffend bezeichnet ihn Audiard selbst als „Anti-Scarface-Figur“, denn trotz seiner Narben im Gesicht ist Malik auch eine moralische und nicht gewissenlose Figur.

Drei Aspekte fallen auf, die Malik eine prophetische Aura verleihen und gleichzeitig den Film über das Genre hinausheben – ihm etwas Eigenes, Innovatives anhaften: Mit dem Mord an Reyeb zeigt Audiard die drastischste Szene des Films relativ zu Beginn und schockt damit den Zuschauer nachhaltig. Geschockt ist auch Malik, dem Reyeb als Geist in surrealistischen Szenen immer wieder erscheint. Dieses übernatürliche Element erweist sich als zusätzliche Ebene; als dramaturgische Pause, die dem realistischen Tonfall entgegensteht und Malik mystifiziert. Der zweite wesentliche Aspekt ist die Figur des Malik selbst: ein junger, Analphabet und Araber, der besonders in paranoiden Zeiten des Terrorverdachts, ein aussergewöhnlicher Held ist, der grosses Mitgefühl weckt. Er blüht im Knast auf, imitiert und lernt; lässt sich nicht in vorherrschende Klassenverhältnisse einspannen, wird zum Vermittler und steht am Ende über allen anderen. Sein Leben beginnt erst im Knast – dort, wo er sich entfalten kann, seine Bedeutung und seine Identität findet. Somit wirkt er bei seinem Freigang – dem dritten Aspekt – wie jemand, der noch nie draussen gewesen wäre – verstärkt dadurch, dass er manche Dinge, wie etwa zu fliegen, tatsächlich das erste Mal tut. Draussen wird er erneut auf die Probe gestellt, ist nun aber gewappnet. Mit Malik hat Audiard zusammen mit Rahim eine so reichhaltige, zeitgemässe und interessante Hauptfigur geschaffen, die den Film, der auch sonst in allen Belangen erstklassig ist, zum Meisterwerk macht.

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Un prophète (2009)
Deutsch: Ein Prophet
Land: Frankreich, Italien
Regie: Jacques Audiard
Drehbuch: Thomas Bidegain, Jacques Audiard
Schauspieler: Tahar Rahim, Niels Arestrup, Adel Bencherif, Hichem Yacoubi, Reda Kateb, u.a.
Kamera: Stéphane Fontaine
Schnitt: Juliette Welfling
Musik: Alexandre Desplat
Laufzeit: 109 Minuten
Start CH: 14.01.2010
Verleih: Filmcoopi
Weitere Infos bei IMDB[/box]
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