von Simon Reber
Das war sie also, die Oscarverleihung 2010. Zusammen mit einigen Freunden und eingedeckt mit Bier, Steaks, Brownies und diversen schmackhaften Salaten habe ich sie dieses Jahr geniessen dürfen. Toll war’s! Es sollte die Nacht des erfolgreichsten Filmes aller Zeiten werden: Das Sciencefiction-Epos Avatar. Mit insgesamt neun Nominationen war der Film in allen wichtigen Kategorien vertreten, und entsprechend erhoffte sich James Cameron eine ähnlich Ausbeute wie bei seinem letzten Spielfilm: Titanic konnte 1998 ganze elf goldene Statuen ergattern. Doch Cameron ist nicht länger king of the world – nein, es hat sich ein Machtwechsel vollzogen. Erstmals haben wir eine Königin: Kathryn Bigelow, Camerons Ex-Frau; ihr Film The Hurt Locker der grosse Abstauber des Abends. Die spannungsgeladene und intensive Geschichte um einee amerikanischen Bombenentschärfungstruppe im Irak gewann insgesamt sechs Oscars, darunter die beiden wichtigsten Kategorien: „Best Motion Picture of the Year“ und „Best Achievement in Directing“. Bombenstimmung im Saal!
Da musste sich Cameron schon ein bisschen unwohl gefühlt haben. Lediglich drei Oscars, „Best Achievement in Art Direction“, „Best Achievement in Cinematography“ und „Best Achievement in Visual Effects“, konnte der ausserirdische Pocahontas-Verschnitt für sich entscheiden. Gut so! Versteht mich nicht falsch. Ich mochte Avatar sehr – die paradiesische Welt von Pandora und ihre 3D-Umsetzung ist einmalig und schlicht und ergreifend brillant. Aber bester Film? Kann er auch überzeugen ohne den 3D-Effekt? Ich denke nicht: zu wenig überzeugt die Geschichte, die so bereits in hundert anderen Filmen origineller und erfrischender erzählt wurde. Camerons Film lebt einzig und allein von der künstlich erschaffenen, traumhaften Welt von Pandora und deren technisch beeindruckenden Umsetzung.
Jeff Bridges for Oscar! Schon vor der Oscarnacht war es mehr oder minder klar, dass „The Dude“ oder „El Duderino“ den Oscar für „Best Performance of an Actor in a Leading Role“ gewinnen würde. Eine Auszeichnung, die er nach vier erfolglosen Nominationen sicherlich verdientermassen gewonnen hat. Persönlich erhoffte ich mir aber, dass Colin Firth, Hauptdarsteller in Tom Fords Meisterwerk A Single Man, gewinnen würde. Selten beeindruckte mich eine schauspielerische Leistung mehr – es hat aber nicht sollen sein. Immerhin gewann our all american sweetheart, Sandra Bullock, die goldene Statuette für beste Hauptdarstellerin! Congratulations!
Durch die Oscarnacht führten Alec Baldwin (30 Rock, The Departed) und Steve Martin (It’s Complicated, The Pink Panther). Mit viel schwarzem Humor vermochten die beiden gut aufgelegten Spassvögel die offensichtlichen Längen der manchmal doch recht langatmig wirkenden Preisverleihung souverän zu überbrücken. Ihre humorvolle und schelmische Einführung in die Oscarnacht war regelrecht der Hammer! Gespannt war ich auf die Kategorien „Best Animated Feature Film of the Year“ und „Best Short Film, Animated“. Im Vorfeld wurden Stimmen laut, ob nicht vielleicht The Secret of Kells es schaffen könnte, Pixars UP die goldene Statue vor der Nase wegzuschnappen. Zwar hatte ich noch nicht das Vergnügen den Film, der bis jetzt lediglich in Belgien angelaufen ist, zu sehen. Da aber UP meines Erachtens einer der besten Filme aller Zeiten ist (und ja, wenn es um PIXAR geht, kann man mir eine gewisse Tendenz zur Voreingenommenheit vorwerfen), hoffte ich doch inbrünstig, dass dieser den Oscar gewinnen würde. UP gewann schlussendlich nicht nur verdientermassen als bester Animationsfilm, sondern konnte auch noch den Oscar für „Best Original Score“ mit nach Hause nehmen. Was aber für einstimmiges Kopfschütteln unter meinen Freunden sorgte, war der Oscar für bester animierter Kurzfilm, den Logorama gewinnen konnte. WTF!!! Mochte ich der unterliegenden Idee noch ein gewisses Mass an Kreativität und Originalität abgewinnen, ärgerte ich mit jeder neuen Minute über die Lächerlichkeit dieses Filmes. Insbesondere der visuelle Stil konnte mich nicht im Geringsten überzeugen – der ebenfalls nominierte, schmählich übergangene Wallace and Gromit: A Matter of Loaf and Death spielt da in einer ganz anderen Liga.
Wurde in vergangen Jahren die Show hie und da mit den nominierten Liedern der Kategorie „Best Achievement in Music Written for Motion Pictures, Original Song“ aufgelockert, suchte man musikalische Unterbrüche in diesem Jahr vergeblich. Schade! So war der Abend denn auch ein bisschen musikleer. Einzig James Taylor, der amerikanische Singer-Songwriter sorgte für ein kleines aber ungemein feinenes musikalisches Intermezzo. Sein einfühlsames und intimes Cover des Beatle Titels „In My Life“, den er als Tribut für die verstorbenen Künstler des letzten Jahres sang, versprühte viel Wärme und bereicherte die melancholische Atmosphäre.
Das war sie also, die Oscarverleihung 2010. Nun sind es nur noch 363 Tage bis zur nächsten cineastischen Versammlung mit Freunden, Bier, Brownies, Steaks und Salaten!
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