von Dave Maurer
Wer ihn sich heute ansieht, diesen kleinen, stämmigen Mann mit dem säuberlichen Scheitel und dem eigenwilligen Oberlippenbart, der würde wohl nicht vermuten, dass sich hinter dieser konservativen Fassade einer der schlimmsten Verbrecher der Menschheit verbirgt. Der selbsternannte „Gröfaz“, der grösste Feldherr aller Zeiten also, hat durch seine barbarische Unmenschlichkeit Geschichte geschrieben. Die Rede ist natürlich von Adolf Hitler, ein Mann, der sicherlich nie mit Gelächter bedacht werden wird – oder etwa doch?
Als ich vor drei Jahren Dani Levys Mein Führer im DVD-Regal eines Multimedia-Händlers stehen sah, blieben meine Augen ungläubig am Cover kleben: Der Deutsche Quoten-Komödiant Helge Schneider war abgebildet, eingepackt in ein authentisch wirkendes Hitler-Kostüm, Schnauzer und Scheitel inklusive – Lachen mit und über Hitler, ein gewagtes Konzept. Levys Film war und ist ein seltsames Stück Vergangenheitsbewältigung aus dem Herzen eines Landes, welches bis heute rigoros gegen Hakenkreuze in Comics und Videospielen vorgeht und eine Konfrontation mit der unschönen Geschichte scheut wie der Teufel das Weihwasser. In Mein Führr (2007) spielt das titelgebende NSDAP-Oberhaupt mit Miniaturkriegsschiffen, missbraucht einen Globus als Medikamentenlager und gibt sich während der ganzen Filmdauer einer zahllosen Aneinanderreihung von Lächerlichkeiten preis. Darf man also über Hitler lachen? Dani Levy bejaht, und fügt hinzu: Man muss es sogar.
Aber bevor sich Regisseur Levy der spitzbübischen Demontierung des Führers annahm, war es nur dem fremdsprachigen Ausland gelungen, den Scharlatan im Machtmenschen und den Beelzebub im freundlichen Bauerntrampel zum Vorschein zu bringen. Die von Charles Chaplin im Jahre 1940 verfasste und inszenierte Politsatire The Great Dictator dürfte eines der ersten Werke gewesen sein, welches Hitlers faschistischem Agieren unverhohlen die Zunge herausstreckte. Und drei Jahre nach Chaplins bissigem Beitrag veröffentlichte sogar Walt Disney eine achtminütige Zeichentrick-Episode, welche seinen weltbekannten Enterich Donald Duck in ein von Nationalsozialisten regiertes Land entführte. Der Fuehrer’s Face nannte sich dieser Propaganda-Beitrag aus dem Hause Disney – die brisante Folge wurde noch im selben Jahr mit einem Oscar vergoldet.
In Deutschland vergingen aber noch mehr als 64 Jahre, bis Hitler durch eine grossangelegte Produktion seinen Weg auf die Kinoleinwand fand. Im Film Der Untergang übernahm Verwandlungskünstler Bruno Ganz die anspruchsvolle Rolle des grössenwahnsinnigen Führers des Dritten Reichs, und zeichnete trotz allerlei Gräueltaten ein erschreckend menschliches Bild des Wahnsinnigen. Man wolle dem Zuschauer einen realistischen Blick in die Seele Hitlers bieten, frei von Glorifizierungen und Dämonisierungen jeglicher Art, so hiess es damals zumindest in einem Pressetext. Doch wirklich befreiend wirkt ein Eintauchen in historische Fakten und Persönlichkeiten nicht. Zumindest nicht so befreiend wie ehrliches Gelächter.
Dieser Ansicht war auch Levy, der sich bewusst geworden war, dass zwar mittlerweile die ganze Welt über Hitler lachen konnte, sich das deutsche Kino aber nach wie vor nicht mit dem „Gröfaz“ auf Konfrontationskurs begeben wollte. Eine satirische Verdrehung, eine masslose Karikatur – so wird Distanz geschaffen, so kann man lernen, loszulassen und zu verstehen. Wer über einen tollpatschigen Hitler in einer übergrossen Badewanne lacht, verhöhnt nicht gleichzeitig auch das unsägliche Leid, welches dieser Mann über die Menschheit gebracht hat. Ganz im Gegenteil: Ein Lächeln auf den Lippen raubt Hitler seine monumentale Übermenschlichkeit, welche dieser Zeit seines Lebens mit grösster Sorgsamkeit aufblies.
Somit entpuppt sich Humor als weitaus effizienteres Heilmittel, als es Spielfilme, die auf historische Daten und Berichten aufbauen, je sein könnten. Aktuell zeigt sich dies auch an Quentin Tarantinos Kriegsgroteske Inglourious Basterds, ein Film, der keinerlei Anspruch auf eine realitätsgetreue Darstellung historischer Ereignisse erhebt und gerade deswegen äusserst effektive Vergangenheitsbewältigung betreibt. Und wie vergrämte doch schon vor vielen Jahren der deutsche Liedermacher und Satiriker Wolf Biermann seine „Freunde“ von der Stasi (Ministerium für Staatssicherheit) so passend:
Ich blas euch zu Riesen auf
Hoch oben auf dem Berge
Wenn ihr mich wirklich schaffen wollt
Dann nennt mich „gross”, ihr Zwerge.
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