von Olivia Tjon-A-Meeuw
Autor der Reihe ist der Kanadier Bryan Lee O’Malley, der mit der Graphic Novel Lost at Sea sein Debüt gab und vor der Veröffentlichung seines eigenen Materials die Serie Hopless Savages: Ground Zero (Jen Van Meter) illustriert hat. Mit Scot Pilgrim gelang ihm in den USA ein Bestseller. In schwarzweiss und mit einfachen Linien gezeichnet, erinnert der Stil, mit vielen Speedlines und übergrossen Augen, mitunter an Mangas. O’Malley hat für sein Werk mehre Preise erhalten, unter anderem zweimal den prestigeträchtigen Harvey Award.
Bereits als der erste Band in den Läden stand, bekundeten die ersten Produzenten Interesse an einer Verfilmung. Edgar Wright (Hot Fuzz) wurde als Regisseur engagiert und ein Drehbuch wurde geschrieben. 2009 begann man schliesslich in Toronto mit dem Dreh, wo auch ein Grossteil der Handlung spielt. Da O’Malley während der Filmproduktion noch immer mit dem Fertigstellen des sechsten Bandes beschäftigt war, wird die Geschichte im Vergleich zum Comic wohl anders enden. Dies dürfte natürlich nicht der einzige inhaltliche Unterschied bleiben, da es schwierig ist, mehrere Geschichtsstränge einer sechsteiligen Serie in einem zweistündigen Film unterzubringen. Zudem wurde mit Michael Cera (Juno) ein richtiges Milchbubigesicht für die Rolle des Hauptcharakters verpflichtet, was auch nicht ganz der Vorlage entspricht. Auch stilistisch dürften einige Unterschiede zu Tage kommen. Im Gegensatz zum schlichten Comic präsentiert sich der Film als visuelle Explosion. Bunte Kostüme, Martial-Arts Kämpfe in Videospielästhetik sowie eingeblendete Soundwords verbinden sich zu einer intermedialen Melange.
Wie man sich vielleicht denken kann, ist Scott Pilgrim die Hauptperson der Geschichte. Wie der Leser im ersten Band Scott Pilgrim: Das Leben rockt! erfährt, ist er ein 23-jähriger Tagedieb der nichts mit sich anzufangen weiss und sich eigentlich nur für Mädchen und seine grottenschlechte Band Sex Bob-Omb interessiert. Die anderen Mitglieder der Band sind Kim Pine, die Schlagzeugerin, und Stephen Stills, der Gitarrist. Neil Nordegraf, scherzeshalber Young Neil – wer kennt den kanadischen Singer-Songwriter Neil Young schon nicht – genannt, stellt den Übungsraum zur Verfügung. Scott teilt sich die Wohnung, das Bett und so ziemlich alles andere auch mit seinem schwulen Mitbewohner Wallace. Diesem teilt er eines Tages mit, dass er momentan mit Knives Chau, einer 17-jährigen Schülerin einer katholischen Schule zusammen sei. Sie ist niedlich und hängt an Scott wie ein Klette, doch viel zu jung für den Dreiundzwanzigjährigen, wie Wallace entsetzt festhält. Dennoch, eigentlich läuft Scotts Leben ganz rund, wenn man einmal davon absieht, dass eben nicht viel läuft. Hauptsache keine Probleme. Doch dann träumt er eines Nachts zum ersten Mal von einem ulkigen Mädchen auf Inline Skates. Scotts Verstand ist sofort besessen von der geheimnisvollen Schönen und er kann von Glück reden, dass er sie tatsächlich auch im wirklichen Leben kennenlernt. Wie sich herausstellt, heisst das Mädchen Ramona Flowers und arbeitet als Amazonkurier. Scott hat aber nur von ihr geträumt, weil sie die praktische Hyperraum Autobahn durch seinen Kopf benutzt hat, um damit 20 Kilometer in 3 Sekunden abzukürzen. Aha, alles klar. Spätestens jetzt wird deutlich, dass die Welt von Scott Pilgrim eben doch nicht so normal ist, wie sie erwartet wurde. Doch dieser Hyperraum ist bei weitem nicht das Merkwürdigste der ganzen Geschichte: Wie Scott schmerzhaft erfahren muss, kann er nur mit Ramona ausgehen, wenn er zuerst ihre sieben bösen Ex-Freunde besiegt. Der erste dieser Freunde, Matthew Patel, taucht bei einem Konzert der Sex Bob-Omb auf, wo er Scott überrascht und zum Kampf auffordert. Wie sich herausstellt, macht der Protagonist dabei eine erstaunlich gute Figur…
Scott Pilgrim ist keiner der Superheldencomics, die momentan so hoch im Kurs sind und von Hollywood am laufenden Band verfilmt werden. Stattdessen ist der Comic eine romantische Liebesgeschichte, in der ein Loser buchstäblich um das Mädchen seiner Träume kämpfen muss. In das realistischen Setting werden surreale Elemente eingeführt, und Scott sieht sich unvermittelt als eine Art Videospielcharakter, der Erfahrungspunkte sammelt und Extraleben in absurden, aber intensiven Zweikämpfen kriegt. Der erste Band deutet das Potential der amüsanten Geschichte aber erst an. Die vorgestellten Charaktere sind interessant gestaltet, man darf aber auf weitere schrille Ex-Freunde gespannt sein. Gespickt ist O’Malleys Werk mit allerhand Seitenhieben und Verweisen auf Comics, Videospiele, Sitcoms und Social Network Seiten, ganz wie es sich für ein modernes Werk gehört.
Scott Pilgrim: Das Leben rockt! erschienen bei Panini Comics.
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