von Daniel Paredes
Gestern gab der künstlerische Leiter Thierry Frémaux bei der Pressekonferenz das Programm der 64. Filmfestspiele des renommiertesten Filmfestivals der Welt bekannt. Das Festival von Cannes, das sich nach wie vor in erster Linie dem Autorenkino widmet, bietet wie jedes Jahr eine Fülle an vielversprechenden Beiträgen und wird am 11. Mai mit Woody Allens Midnight in Paris eröffnet. Der Film machte im Vorfeld viel von sich reden, weil die Glamour-Frau des französischen Staatschefs, Carla Bruni, darin eine Rolle spielt. Die anderen Stars des Films heissen Owen Wilson, Rachel McAdams, Martin Sheen, Marion Cotillard, Adrien Brody und Kathy Bates, was auf einen glitzernden Eröffnungsabend schliessen lässt. Aber auch die verschiedenen Jurys werden von grossen Namen der Filmbranche angeführt: Bong Joon-Ho ist Präsident der Camera D`Or Jury, Michel Gondry ist Präsident der Kurzfilm und Cinefoundation Jury, Emir Kusturica ist Präsident der “Un Certain Regard”-Jury und allen voran steht Robert De Niro, dem die Ehre zukommt, in diesem Jahr Präsident der Jury des Internationalen Wettbewerbs zu sein.
De Niro wird hier neben ganz frischen Filmemachern – die Australierin Julia Leigh präsentiert mit Sleeping Beauty ihr Erstlingswerk, ebenso wie der Österreicher Markus Schleinzer mit Michael – auch auf vorwiegend namhafte und erfahrene Kollegen treffen, wobei die meisten Filme aus Europa stammen (12 Beiträge). Wenig überraschend kamen die Ankündigungen des neuen Films Pedro Almodóvars La piel que habito mit Antonio Banderas, Elena Anaya und Marisa Paredes, Le Gamin au Vélo von den Dardenne-Brüdern mit Cécile De France, der neue von Nanni Moretti Habemus Papam mit Nanni Moretti selbst und Michel Piccoli, Le Havre von Aki Kaurismäki mit Jean-Pierre Léaud und Kati Outinen oder der neue von Lars von Trier Melancholia mit Kirsten Dunst, Charlotte Gainsbourg und Kiefer Sutherland. Diese Auteurs gehören schon beinahe zum Inventar des Festivals und präsentieren ihre neusten Werke teils in regelmässigen Abständen an der Croissette. Überraschend hingegen ist die Abwesenheit von David Cronenberg, dessen Freud-Jung-Film A Dangerous Method viele für Cannes erwartet haben – vielleicht weil er sich nicht selbst für das Drehbuch verantwortlich zeichnete? Auch Alexandr Sokurovs Faust, den man sich bereits für die Berlinale gewünscht hatte, lässt weiterhin auf sich warten. Dafür wird endlich Terrence Malicks Zangengeburt The Tree of Life das Licht der Welt erblicken und mit Brad Pitt und Sean Penn den Gala-Aspekt des Festivals erhöhen.
Für Sean Penn würde sich die Anreise gleich zweifach lohnen: Der US-Star spielt neben Frances McDormand und Harry Dean Stanton im neuen Film von Paolo Sorrentino die Hauptrolle. Sorrentino, der noch keine vierzig ist und insbesondere mit Il Divo für grosse Aufmerksamkeit sorgte, tritt damit schon bereits zum vierten Mal im Wettbewerb um die begehrte Goldene Palme an. Der Kurzinhalt seines Drama-Thrillers This Must Be the Place liest sich indes besonders interessant: Ein gelangweilter Rockstar im Ruhestand – Sean Penn – macht sich auf die Suche nach dem Mörder seines Vaters, der als Nazi und Kriegsverbrecher in die USA flüchtete. Etwas überraschend und zwiespältig dürften die Nominationen von Takashi Miike und Nicolas Winding Refn aufgenommen worden sein. Der japanische Vielfilmer Miike, der sich oftmals nur auf einem schmalen Grad zwischen Trash und anspruchsvollem Kino bewegt, ist mit dem Samurai-Film Ichimei vertreten. Der Däne Nicolas Winding Refn hingegen ist verantwortlich für die unzaghafte Pusher-Trilogie und deutete mit Filmen wie Bronson oder Valhalla Rising durchaus sein Gespür für unkonventionelle Erzählformen und eine aussergewöhnliche Ästhetik an. Er präsentiert in Cannes seinen Actionfilm Drive mit Ryan Gosling und Carey Mulligan. Die komplette Liste des Internationalen Wettbewerbsfilme lässt sich weiter unten nachlesen.
Dass vom 11. bis zum 22. Mai aber nicht nur der Internationale Wettbewerb was zu bieten hat, zeigt der Eröffnungsfilm der Sektion “Un Certain Regard”. Diese wird nämlich durch keinen geringeren Film, als Restless, das neue Werk von Palme D`Or- und Oscar-Gewinner Gus van Sant, eröffnet. Darin spielt Mia Wasikowska (Alice in Wonderland) ein unheilbar krankes Mädchen, das sich in einen Jungen verliebt, der gerne Beerdigungen besucht; gemeinsam begegnen sie dem Geist eines Kamikaze-Piloten aus dem 2. Weltkrieg. Mit Bruno Dumonts Hors Satan und Kim Ki-Duks Arirang stehen weitere Highlights auf dem Programm. Auch wird hier der einzige deutsche Beitrag präsentiert: Halt auf freier Strecke von Andreas Dresen, der sich durch Filme wie Sommer vorm Balkon oder Wolke Neun einen Namen machte.
Opening Film: Woody ALLEN MIDNIGHT IN PARIS (Out of Competition) 1h40
Pedro ALMODÓVAR LA PIEL QUE HABITO (THE SKIN I LIVE IN) 2h
Bertrand BONELLO L’APOLLONIDE – SOUVENIRS DE LA MAISON CLOSE (HOUSE OF TOLERANCE) 2h02
Alain CAVALIER PATER 1h45
Joseph CEDAR HEARAT SHULAYIM (FOOTNOTE) 1h45
Nuri Bilge CEYLAN BIR ZAMANLAR ANADOLU’DA (ONCE UPON A TIME IN ANATOLIA) 2h30
Jean-Pierre et Luc DARDENNE LE GAMIN AU VÉLO (BOY WITH A BIKE) 1h27
Aki KAURISMÄKI LE HAVRE 1h43
Naomi KAWASE HANEZU NO TSUKI 1h31
Julia LEIGH SLEEPING BEAUTY (1st film) 1h44
MAÏWENN POLISSE 2h01
Terrence MALICK THE TREE OF LIFE 2h18
Radu MIHAILEANU LA SOURCE DES FEMMES (THE SOURCE) 2h15
Takashi MIIKE ICHIMEI (HARA-KIRI: DEATH OF A SAMURAI) 2h06
Nanni MORETTI HABEMUS PAPAM 1h42
Lynne RAMSAY WE NEED TO TALK ABOUT KEVIN 1h50
Markus SCHLEINZER MICHAEL (1st film) 1h34
Paolo SORRENTINO THIS MUST BE THE PLACE (1h58)
Lars VON TRIER MELANCHOLIA 2h10
Nicolas WINDING REFN DRIVE 1h35
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