Weil der Samba uns glücklich macht…
von Sarah Stutte
Die Blue Sky Studios, die zu 20th Century Fox gehören, haben mit der “Ice Age”-Trilogie, “Horton Hears a Who!” und dem oscarprämierten Animationskurzfilm “Bunny” schon mehrfach gezeigt, dass sie Pixar/Disney und Dreamworks in Sachen computeranimierter Unterhaltung durchaus das Wasser reichen können. Auch ihr neuestes Werk über einen flugunfähigen, brasilianischen Papagei sprüht nur so von witzigen Einfällen, obwohl es etwas an zu brav angelegten Charakteren krankt.
Gerade im brasilianischen Regenwald geschlüpft, versuchte der blaue Ara Blu (Originalstimme: Jesse Eisenberg) im Übermut zu fliegen und landete auf dem harten Boden der Tatsachen: Wilderer fingen den seltenen Papagei und verkauften ihn in die USA. Als das Küken in einem kleinen Kaff, mitten im winterlichen Minnesota, von einem Laster fiel, fand ihn ein kleines Mädchen mit riesiger Brille und versprach, immer für ihn da zu sein. Inzwischen ist Linda (Originalstimme: Leslie Mann) eine junge Frau und führt im Ort einen Buchladen. Dort hat auch Blu sein Zuhause gefunden, wohnt in einem Käfig, den er selbst aufmachen kann, fährt mit einem Spielzeug-Polizeiauto zum Frühstückstisch, trinkt Marshmallow-Kakao, spricht und denkt wie ein Mensch – aber kann immer noch nicht fliegen. Da steht eines Tages der verrückte Vogelkundler Túlio vor der Ladentüre und behauptet, Blu sei das einzige noch lebende Männchen seiner Art und müsse unverzüglich nach Rio de Janeiro gebracht werden, um sich dort mit dem letzten blauen Weibchen zu paaren. Nach anfänglichem Zögern packen Linda und Blu ihre Koffer und reisen mit Túlio in die ehemals brasilianische Hauptstadt. Doch das Zusammentreffen mit Arafrau Jewel (Originalstimme: Anne Hathaway) ist nicht von Erfolg gekrönt. Einerseits, weil Jewel – unabhängig, freiheitsliebend und vor allem flugfähig – so rein gar nichts mit Haustier Blu anfangen kann. Andererseits, weil der fiese Kakadu Nigel mit ein paar geldgierigen Ganoven zusammenspannt und beide Aras aus der Forschungsstation entführt. Zwar können sich Blu und Jewel aus der Gewalt der Wilddiebe befreien, doch weil sie aneinander gekettet sind und Blu immer noch an Flugangst leidet, gestaltet sich ihre Flucht quer durch die Favelas und den brasilianischen Dschungel schwierig. Nigel ist ihnen dabei immer dicht auf den Fersen; doch auch Túlio und Linda versuchen im Karnevalsgetümmel von Rio die Spur ihrer Aras nicht zu verlieren…
Regisseur Carlos Saldanha (Ice Age 2: The Meltdown, Ice Age 3: Dawn of the Dinosaurs) stammt gebürtig selbst aus Rio und schafft es mit stimmigen Details wie Paraglidern am Strand, dem portugiesischen Wörterbuch von Blu, der Seilbahn auf den Zuckerhut, dem wiederkehrenden Einsatz von Mobiltelefonen (ganz klar: die Brasilianer sind handyverrückt!) und der unumgänglichen Vorfreude auf den Karneval, seine Heimatstadt liebevoll in Bilder zu fassen. Dadurch erhalten auch die kleinen und grossen Zuschauer, die es bisher noch nicht nach Brasilien geschafft haben, einen adäquaten Eindruck von Land, Leuten und Mentalität. Ebenso hervorzuheben ist die gute Absicht, mittels Animation vor allem das jüngere Publikum für ein ernstes Thema wie die Wilderei, den Handel mit exotischen Tieren und die daraus resultierenden Folgen zu sensibilisieren. Augenscheinlich werden diese Inhalte beschwingt wiedergegeben – so zum Beispiel in jener Szene, in der ein Vogel ob der Gefangenschaft offensichtlich verrückt wurde, weil er in seinem Käfig nur noch Kreise zieht und dabei wirres Zeug redet. Auch Blu wird als Küken gefangen, hat aber scheinbar Glück und kommt zu Linda. Doch dass Blu und Linda bald als eingespieltes Team agieren, wird stellenweise so auf die Spitze getrieben, dass die Kritik an dieser Art von Vermenschlichung offensichtlich ist. In der Fundgrube kreativer Ideen finden sich dann auch blauangemalte Hühner mit rollenden Augen wieder, die als Ara-Duplikate herhalten müssen, oder ein Lionel Richie ab Tonband, der für den nötigen Liebeszauber sorgen soll. Selbst bei den Animationen wurde auf jede Kleinigkeit geachtet, grossartig umgesetzt sind vor allem die Massenszenen des Karnevalumzugs. Der 3D-Effekt, der hier nicht verschwenderisch sondern wohl überlegt eingesetzt wurde, überzeugt damit exakt an den Stellen, die er wirkungsvoll unterstreichen soll.
Ein rundum gelungenes Animationsabenteuer, könnte man meinen. Doch es gibt auch Dinge zu beanstanden. So überzeugt gerade die magere Figurenzeichnung nicht. Blu ist zwar lieb und nett, hat aber keine Ecken und Kanten. Ebensowenig die anderen Tiere und Menschen, angefangen bei Blus Love Interest Jewel und seinen Sidekicks Rafael, Pedro und Nico, aufgehört bei seinem Frauchen Linda: Alle sind grundanständig, aber langweilig. Auch Nigel ist als Bösewicht schlussendlich nicht witzig genug. Eine durch und durch schräge Figur à la Scrat oder zumindest eine differenziertere Ausarbeitung des Hauptcasts, ausgestattet mit mehr Neurosen als nur der Flugangst, hätte Rio sicherlich einen viel stärkeren Wiedererkennungswert gegeben. Stutzig macht zudem der Einbezug von Songs in die Handlung. Hier wurde wohl allzu sehr in Richtung Disney geschielt. Auch die Rap-Einlagen von Black Eyed Peas Sänger will.i.am, der die Sprechrolle von Pedro übernahm, wirken eher deplatziert. Der Samba alleine hätte als rhythmische Untermalung vollkommen ausgereicht und wäre zudem viel näher an der typisch brasilianischen Grundstimmung geblieben. Wer sich von diesen wenigen Schwächen nicht irritieren lässt, wird mit Rio einen leichtfüssigen Spass erleben, der farbenfroh den Sommer herbeizaubert und nicht mit offenen Worten zum Thema Tierschutz geizt.
[kkratings]
[hr]
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Rio (2011)
Originaltitel: –
Land: Brasilien, Kanada, USA
Regie: Carlos Saldanha
Drehbuch: Don Rhymer
Schauspieler: Anne Hathaway, Jesse Eisenberg, Jemaine Clement, Leslie Mann, Jamie Foxx, Jake T. Austin, Rodrigo Santoro, George Lopez, Carlos Ponce, Will i Am, Kate del Castillo, u.a.
Musik: John Powell
Laufzeit: 96 Minuten
Start CH: 07.04.2011
Verleih: 20th Century Fox Film Corporation. All Rights Reserved
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©20th Century Fox Film Corporation. All Rights Reserved
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