Im Niemandsland zwischen Jason Bourne und Michael Mann
von Dave Maurer
Diebe vor der Kamera, Diebe hinter der Kamera: Regisseur John Luessenhop und sein Team bedienen sich für ihre Hochglanz-Räuberpistole unverfroren bei der Konkurrenz. Dabei verpasst es Takers komplett, der Plagiats-Suppe auch etwas eigene Würze beizumischen.
Die kriminelle Energie professioneller Bankräuber bietet seit geraumer Zeit faszinierenden Stoff für Drehbücher aller Art. Ob im klassischen „Heist“-Format oder als krachendes Actionspektakel, der Berufsstand des Bankräubers findet immer wieder seinen Weg nach Hollywood. So auch in Takers: Eine Gruppe von Langfingern sichert sich durch regelmässige Überfälle auf Banken und Geldtransporter einen Platz in der Welt der Reichen und Schönen. Die nach klaren Regeln und Prinzipien agierenden Räuber nehmen schliesslich ihr bisher ambitioniertestes Projekt in Angriff: Der Überfall auf einen Panzerwagen soll grenzenlosen Geldsegen bringen. Aber die frischen Banknoten rufen nicht nur vergessene Mitstreiter auf den Plan, sondern entpuppen sich auch als Feuerprobe für die Hierarchie innerhalb der Gangster-Truppe.
Noch bevor sich der Zuschauer überhaupt mit den Charakteren, Handlungsverläufen und Twists des Filmes auseinandersetzen kann, gilt es die hyperaktive Inszenierung zu verarbeiten. Mit der Agilität eines tattrigen Greises schwenkt das Kamera-Team sein Equipment hin und her, auf und ab. Der semi-dokumentarische Handcam-Stil, der mitunter direkt aus der blitzschnellen Bourne-Trilogie entliehen zu sein scheint, erinnert an ein Schlauchboot in unbändigem Wellengang. Immer wieder verwechseln die Kameras Dynamik mit Hektik, sodass sich der Zuschauer an der munteren Suche nach einem akzeptablen Fokus beteiligen darf. Trotz des grosszügigen Einsatzes einer Handkamera präsentiert sich der Film immer wieder in puren Hochglanz-Aufnahmen. Die glatte, aber routinierte Kameraarbeit von Michael Barrett steht somit in eigenwilligem Kontrast zur Restästhetik. Der Spagat zwischen Raserei und Panorama sorgt zwar für spektakuläre Bilder, lässt aber ein szenenübergreifendes Konzept vermissen.
Der Indie-Regisseur Jim Jarmusch stellte in einem Interview einst die These auf, dass die Erschaffung eines komplett eigenständigen Projekts mittlerweile zu einem Ding der Unmöglichkeit geworden ist. Neue Kunst sei immer von bereits bestehender Kunst inspiriert. Originalität entstehe nur, wenn das Netzwerk alter Ideen mit neuen Ideen verbunden werde. Somit sei Inspiration der einzige Weg zur eigenen Kreativität, so Jarmusch. Regisseur John Luessenhop scheint über die erste Hälfe dieser Regel nicht herausgekommen zu sein: Takers ist ein unüberschaubares Flickwerk aus fremden Konzepten, missverstandenen Charakter-Zeichnungen und unverhohlenem Copy & Paste-Denkens geworden. Wo die Kopie mit eigenständigen Ideen oder zumindest einem zarten Hauch von Innovation hätte angereichert werden müssen, prangern blosse Szenen-Replikationen. Böse Zungen könnten behaupten, Takers stehle mit der Subtilität deutscher Verteidigungsminister.
Einem cineastischen Raubritter gleich bedient sich Luessenhop dermassen offensichtlich bei der filmischen Konkurrenz, dass manche Sequenzen geradezu als bewusste Gastauftritte bezeichnet werden könnten. Ihren raffzähnigen Protagonisten ähnlich stehlen die Drehbuchautoren Peter Allen und Gabriel Casseus alles, was ihnen in die Hände kommt: die Bildästhetik von Michael Manns Heat, die rasante Inszenierung der Bourne-Filme sowie der einleitende Banküberfall aus The Dark Knight – Hollywoods Crème de la Crème scheint sich unfreiwillig die Klinke in die Hand zu geben. Auch im narrativen Bereich erwartet das Publikum eine Ansammlung von Déjà-vus: Die Ballade der siegessicheren Bankräuber, die den Coup ihres zwielichtigen Lebens landen wollen, flimmert bereits seit Jahrzehnten variationenreich über die Kinoleinwand.
Doch der Film- und Szenenraub ist nicht zum kompletten Fehlschlag verdammt, wird das Diebesgut doch gerade im mittleren Filmdrittel mit erfreulichem Geschick eingesetzt. Hier reihen sich auf einmal spektakuläre Ausweichmanöver an explosive Feuergefechte, und der Bildschirm füllt sich mit einem Wirbelsturm aus Schnitt-Stakkatos, Pyro-Effekten und Blechschaden. In solchen Momenten funktioniert das Werk als Hybrid, als Brücke zwischen Filmgenerationen. Auch wenn die Tiefe und Brillanz des Quasi-Originals Heat zu keiner Zeit erreicht wird, scheint ein kleines Stück davon seinen Weg in Takers gefunden zu haben. In Erinnerung bleibt vor allem der brachiale Überfall auf zwei Panzerwagen, welcher durch rücksichtslosen Munitionsverbrauch zum Nägelkauen einlädt. Wann immer Luessenhop die Schnellfeuergewehre rattern, die Motoren der Verfolger brummen und die Explosionen donnern lässt, bietet Takers lupenreine Popcorn-Unterhaltung.
Sobald die Effektschlachten aber ihr Ende finden, ersäuft der Film wieder in Belanglosigkeit. Nebenhandlungen erscheinen unnötig oder vorhersehbar, während die Protagonisten und Antagonisten profil- und konturenlos bleiben. Der blendend aufgelegte Cast füllt seine Rollen zwar mit Energie und zeigt Freude am Spiel, verliert den Kampf gegen die Plattheit des Drehbuchs aber ziemlich schnell. Hier machen Luessenhop und sein Team wieder ungeschönt klar, wie blass ihr Projekt ohne Piraterie bei der Konkurrenz eigentlich wirkt. Und so bleibt Takers ein Film, der kopiert, aber nicht versteht. Ein Werk auch, welches den Stil seiner grossen Vorbilder zwar erfolgreich imitieren, nicht aber deren Seele erfassen kann. Luessenhop hat von seinem Plünderzug durch das Thriller-Genre allerlei Bausteine mitgebracht, aber nur einen wackeligen Turm, und kein bewohnbares Gebäude daraus errichtet.
[kkratings]
[hr]
[box border=”full”]
Takers (2010)
Originaltitel: –
Land: USA
Regie: John Luessenhop
Drehbuch: Peter Allen, Gabriel Casseus, John Luessenhop, Avery Duff
Schauspieler: Zoe Saldana, Hayden Christensen, Paul Walker, Matt Dillon, Idris Elba, Jonathon Schaech, Jay Hernandez, Michael Ealy, Chris Brown, Steve Harris, T.I., Marianne Jean-Baptiste, Gideon Emery, u.a.
Musik: Paul Haslinger
Laufzeit: 103 Minuten
Blu-ray-Start: 07.04.2011
Verleih: Sony Pictures Home Entertainment
Weitere Infos bei IMDB[/box]
[hr]
©Sony Pictures Home Entertainment
©Sony Pictures Home Entertainment[hr]
Leave a Reply