Über Leichen gehen – aber wohin?
von Daniel Paredes
Erneut versucht John Landis Versatzstücke des Horrorgenres mit jenen einer Komödie zu vereinen, was ihm dieses Mal jedoch nur geringfügig gelingt. Angesiedelt in Schottland des frühen 19. Jahrhunderts kann der Film über zwei tollpatschige Leichenhändler weder in der Rolle als Mischling noch in den einzelnen Fächern überzeugen. Was von dieser britischen Produktion übrig bleibt, sind gut gemeinte Ansätze und eine überfrachtete Story.
Edinburgh in den 1820er Jahren: Noch ist die Anatomie eine lückenhafte Karte für die Pioniere der medizinischen Forschung. Zwischen den beiden Wissenschaftlern Dr. Robert Knox (Tom Wilkinson) und Dr. Monro (Tim Curry) ist geradezu ein Wettstreit um das Wissen über den menschlichen Körper entfacht, wollen beide doch in Kürze ihre Ergebnisse dem König präsentieren. Aber um das menschliche Innenleben zu studieren, benötigen sie Leichen – jede Menge Leichen. Über diese verfügt gegenwärtig jedoch nur der einflussreiche Dr. Monro, der die Toten mittels richterlicher Verfügung frisch vom Galgen geliefert bekommt. Knox hingegen sieht sich gezwungen andere Massnahmen anzuwenden, damit er seine Sezierungen fortführen kann. Die nämlich dienen einem höheren Zweck: Knox plant mit Hilfe eines französischen Erfinders eine Art anatomisches Fotoalbum (die Fotografie wird gerade erfunden!) zu erstellen. Hier kommen die irischen Einwanderer William Burke (Simon Pegg) und William Hare (Andy Serkins) ins Spiel, zwei nicht gerade erfolgreiche Gauner, die tollpatschig in den Tag hinein leben und vom grossen Geld nur träumen. Als sie die Leiche eines alten Mannes an Dr. Knox verkaufen, verspricht der ihnen mehr Geld für weitere Körper. Die beiden müssen jedoch feststellen, dass die Toten nicht gerade von den Bäumen fallen, der Friedhof bewacht wird und ihnen auch die Maden oftmals zuvor kommen, weswegen sie selbst die Rolle des Sensenmanns übernehmen. Mit unkonventionellen Methoden bringen sie ihre Mitmenschen um die Ecke und kassieren ordentliche Summen, sodass sich ihr Lebensstandard rapide ändert. Das fällt auch anderen auf: Etwa der schönen Schauspielerin Ginny Hawkins (Isla Fisher), in die sich Burke verkuckt, und fortan das „Talent“ der Dame unterstützt. Auch der vermögende Gangsterboss Danny McTavish (David Hayman) wirft einen misstrauischen Blick auf die beiden Glücksritter und verlangt bald schon Schutzgeld. So wird das Geschäft der beiden Leichenhändler immer riskanter….
The Blues-Brothers-Regisseur John Landis, dessen Filmografie auch für Gelegenheitskinogänger hohen Wiedererkennungswert haben dürfte, hat schon einmal bewiesen, dass die Kreuzung von Horror und Humor funktionieren kann. An American Werewolf in London ist Oscar-prämiertes Effektkino, brutal und atmosphärisch, immer aber auch mit Augenzwinkern und dem Gespür für humorvolle Pointen. Dass Landis einen guten Ruf besitzt, beweist auch die hiesige Teilnahme renommierter Darsteller wie Tom Wilkinson – dem die Mad-Scientist-Rolle sichtbar Spass macht – oder Tim Curry. Daneben konnte man auch Christopher Lee für eine kleine Nebenrolle gewinnen. Dessen Engagement ist vor allem eine gelungene Hommage auf die Horrorwerke des legendären Studios Hammer Films, das das britische Horrorschaffen lange Zeit anführte und Lee wiederholt in Hauptrollen – wie etwa als Dracula – zeigte. Mit Simon Pegg in der Rolle des William Burke schliesst sich der Kreis gewissermassen, gilt Pegg seit Shaun of the Dead als eine Art Galeonsfigur des neuen, schwarzhumorigen britischen Horrorkinos, selbst wenn er seither vorwiegend im Komödienfach rumgekommen ist. Gute Voraussetzungen also für einen schaurigen Spass.
Leider bleibt der Film aber hinter den Erwartungen zurück. Man möchte sogar behaupten, dass die Intention, zwei Fliegen mit einer Klatsche zu schlagen, nach hinten losgeht. Lose basierend auf den West-Port-Morden – die schon mehrmals Stoff für Filme lieferten – bietet Burke and Hare für einen Horrorfilm zu wenig Spannung und Ekel; für eine Komödie wiederum zünden die Witze zu selten. Hinzu kommt, dass der Plot überfrachtet ist. Dabei wäre der Konflikt der beiden Doktoren – auch wenn Tim Curry eindeutig zu kurz kommt – ein gelungener Aufhänger, die Leichen-Suche der beiden Protagonisten ins Rollen zu bringen. Doch gerade dieser Suche, tatkräftige Nachhilfe inklusive, wird zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Das ist schade, liegt hierin doch die Essenz des Films, nämlich die Verschmelzung des Horrors mit dem Komischen. Stellenweise funktioniert dies richtig gut: Zum Beispiel als die beiden einem fettleibigen Herrn auflauern, der vor lauter Schreck und Aufregung einen Herzinfarkt erleidet, sodass sich die beiden nicht erst die Hände schmutzig machen müssen – atmosphärisch und makaber-amüsant zugleich! Aber solch schwarzer bzw. dunkelroter Humor, auf den der Film und die dazugehörige PR eigentlich abzielen, bleibt leider Mangelware. Stattdessen räumt man der langweiligen Liebesgeschichte zwischen Burke und Theaterschauspielerin Ginny viel zu viel Platz ein. So bleibt der Eindruck bestehen, dass der Film zwar gute Vor- und Ansätze hat, diesen aber über die gesamte Laufzeit hinweg nicht gerecht wird. Ganz witzig sind die Verweise auf den Erfindergeist der damaligen Zeit, wenn von dieser Idee gegen Ende hin auch gar inflationär Gebrauch gemacht wird.
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Burke and Hare (2010)
Deutsch: –
Land: Grossbritannien
Regie: John Landis
Drehbuch: Piers Ashworth, Nick Moorcroft
Schauspieler: Simon Pegg, Andy Serkis, Tom Wilkinson, Tim Curry, Isla Fisher, Christopher Lee, Jessica Hynes, David Hayman, Bill Bailey, u.a.
Musik: Joby Talbot
Laufzeit: 92 Minuten
DVD-Start: 05.05.2011
Vertrieb: Ascot Elite Home Entertainment
Weitere Infos bei IMDB[/box]
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©Ascot Elite Home Entertainment
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