Im Würgegriff der Plastiktentakel
von Dave Maurer
Recyclingkunst im Gegenuhrzeigersinn: aus neu mach alt. Effekt-Künstler Brett Piper trimmt seine aktuelle Regiearbeit mithilfe von körnigen Farbfiltern auf Vergangenheit und Schmutz. Doch der Weg zurück zu den B-Movies der 70er-Jahre führt über Hindernisse, die «Muckman» nicht überwinden kann. So mangelt es dem Amateur-Werk nicht nur an Budget, sondern auch an Originalität und Ambitionen.
Der Muckman. Eine bucklige Kreatur, deren Körper mit faustgrossen Eiterbeulen übersät ist. Ein Wesen auch, welches während seines knapp fünfminütigen Bildschirmauftrittes das Gefahrenpotential einer grasfressenden Kuh erreicht. Doch der Muckman ist nicht nur das leidvolle Sinnbild schlechter Effektarbeit, sondern auch Sammelbegriff für dramaturgische Missgriffe aller Art. „Don’t mock the muckman”, flüstert einer der Protagonisten in den ersten Filmminuten verheissungsvoll in die Kamera. Aber dies dürfte dem Zuschauer angesichts Brett Pipers dreizehnter Regiearbeit ausgesprochen schwer fallen: Muckman ist eine gewagte, unausgegorene Rückkehr in das Zeitalter der Gummi-Monster und Plastikgreifarme, ein mutiger Hechtsprung in die dunkelsten Gewässer des 70er-Jahre B-Horrors.
Mit Muckman unterbricht Produzent und Regisseur Piper vorübergehend die Fliessbandproduktion moderner B-Movies im HD-Look. Seine jüngste Regiearbeit ist als authentische Genrereproduktion konzipiert worden, als Liebeserklärung an ein fast vergessenes Subgenre. Sprunghafte Bildübergänge, abrupte Szenenwechsel und digitale Kratzer versuchen den Zuschauer hier in eine Zeitmaschine mit Destination 70er-Jahre zu werfen. Bereits der Handlungsverlauf scheint direkt eine Blaupause jener Zeit zu sein: Eine zickige Reporterin und ihr Kamerateam wittern einen Karrieresprung, als sie auf das sagenumwobene Ungetüm Muckman stossen. Doch zum mässigen Erstaunen des Publikums entpuppt sich die Kreatur nicht als telegen, sondern als ausgesprochen blutrünstig. Und so watet der Zuschauer schon nach kurzer Zeit durch die Sümpfe des klassischen Creature Features.
Der Haken: Der Film über den deformierten Schlamm-Teufel steckt in einer Identitätskrise. Zwar ist der Drang Pipers, alte Schauwerte wieder aufleben zu lassen, unübersehbar. Gleichzeitig scheint sich die Produktion aber davor zu fürchten, schmuddeligen Horror unverfälscht und mit all seinen Stärken und Schwächen einem zeitgenössischen Publikum vorzusetzen. Das Werk wühlt in schmutziger Genrewäsche, schämt sich jedoch, diese offen zu tragen. Um nicht die Last jahrzehntealter Klischees schultern zu müssen, deklariert sich der Film bewusst als Horror-Komödie. So werden altbekannte Genreschwächen unter dem Deckmantel der Komödie als humoristische Einlagen verkauft. Auch das mangelnde Talent des Casts, welches sich in unnatürlichen Dialogtexten und stockenden Darbietungen äussert, wird zum bewussten Stilmittel. Doch der freiwillig-unfreiwillige Humor stellt Muckman vor ein Problem: Was vor 30 Jahren unabsichtlich die Lachmuskulatur strapazierte, funktioniert in der heutigen Zeit kaum als reinrassige Komödie.
Im Verlauf des Filmes verschmilzt gespielte Unfähigkeit mit effektivem Dilettantismus. Die Mikrofone scheinen darauf bedacht zu sein, den Umgebungsgeräuschen mehr Bedeutung zuzumessen als den Dialogen der Darsteller. Das Kamera-Team zieht mit und lässt die Linse in der Regel nur über unscharfe Extremitäten schweifen. Doch die Defizite im audiovisuellen Bereich verblassen angesichts der dramaturgischen Fleischhacker-Arbeit: Piper scheint sich der aufkeimenden Monotonie zeitweise bewusst zu werden und unterbricht das träge Filmgeschehen deswegen mit abstrusen Szenenwechseln. Vom plötzlich ausbrechenden Catfight im Bikini bis zum Stop-Motion-Riesenkraken – Muckman präsentiert Szenen, die sich weder ankündigen noch später wieder aufgegriffen werden.
Immerhin vermag sich der titelgebende Muckman als unerschöpfliche Quelle der Lacher zu etablieren. Richtiggehend haarsträubend fällt die Idee aus, das Sichtfeld des Monsters durch eine Kamera mit aufgestülpter Taucherbrille visualisieren zu wollen. Dennoch läuft der Mann im Gummikostüm nie Gefahr, vom Rest des Darstellerensembles überschattet zu werden. In Erinnerung bleibt gerade einmal Erotikdarstellerin Anju McIntyre, welche sich von ihrem Dekolleté die Show stehlen lassen muss.
Wenn der Abspann nach dürftigen 80 Minuten schliesslich über die Leinwand flimmert, wird dem Publikum der grösste Fehlgriff Pipers bewusst: Die screen time der Sumpfgestalt dürfte sich addiert auf knapp fünf Minuten belaufen. Und minimale Monsterpräsenz kann in einem Kreaturen-Film durchaus negativ ins Gewicht fallen. Was bleibt, ist ein Film, der mehr sein will, als er sein müsste. Muckman kann sich nicht entscheiden, ob er seine Wurzeln nun umarmen oder fürchten soll. So kommt der Zuschauer zur bitteren Erkenntnis: Irgendwo auf dem steinigen Weg in die Moderne muss der guten, alten Zeit das Gute abhanden gekommen sein – womit nur noch das Alte übrig geblieben ist.
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Muckman (2009)
Originaltitel: –
Land: USA
Regie: Brett Piper
Drehbuch: Brett Piper, Mark Polonia
Schauspieler: A.J. Khan, Alison Whitney, Ian Piper, Jared Warren, Danielle Donahue, Ken Van Sant, Steve Diasparra u.a.
Musik: Jon Greathouse
Laufzeit: –
Start CH: 01.09.2011
Verleih: BrettPiper.com
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©BrettPiper.com
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