Ein herrlich schönes Gemetzel
von Sarah Stutte
Elf Jahre ist es her, seit der letzte Teil der Horrorreihe “Scream” in unsere Lichtspielhäuser Einzug hielt. Nun schüttelt Genrelegende Wes Craven eine unvorhergesehene Fortsetzung aus dem Ärmel – und die ist viel besser als erwartet. “Scream 4” vermag sich selbst zu parodieren, ist kreativ, unterhaltsam und befördert die bewährte Story spielend leicht in die Gegenwart. Mit neuen Regeln im Gepäck geht der Slasher frisch und blutig auf Beutefang.
Ein trotziges Fischmädchen verlässt ihren Schwarm, um das grosse Meer zu erkunden. Prompt bleibt sie mit dem Kopf in einem Glasbehälter stecken und wird an den Strand gespült. Der 5-jährige Sosuke erspäht das hilflose Objekt und nimmt es mit zu sich nach Hause. Ponyo soll der kleine Goldfisch heissen, der langsam wieder zum Leben erwacht und im Kindergarten und Altersheim für Aufregung sorgt. „Tsunami! Tsunami!“ japst die vergrämte alte Dame im Rollstuhl, als sie mit Wasser bespritzt wird und dabei bereits jenes Unheil voraussieht, das Ponyos Vater Fujimoto mit allen Mitteln zu verhindern versucht. Denn seine Tochter gehört zurück ins Meer! Doch das Fischmädchen hat sich bereits in den fürsorglichen Jungen verliebt und setzt nun alles daran, Menschengestalt anzunehmen. Magische Kräfte und überwältigende Naturgewalten werden freigesetzt, die das Gleichgewicht zwischen der Meeres- und Menschenwelt empfindlich stören.
Die Geschichte basiert lose auf dem Märchen „Die kleine Meerjungfrau“ von Hans Christian Andersen. Regisseur Hayao Miyazaki (Princess Mononoke, Spirited Away) hat aber erst im Verlauf des Arbeitsprozesses realisiert, dass sein japanischer Heimatfilm der berühmten dänischen Vorlage gleicht. Entsprechend ist zwar die Grundthematik erhalten geblieben, doch ist das Endprodukt kein melancholisches, sondern ein familienfreundliches Abenteuer. Die Todesthematik, die unerwiderte Liebe und auch der Verlust der Stimme sucht man in diesem Animationsfilm vergeblich. Miyazaki hat die Struktur bewusst einfach gehalten und alle bedrohlichen Elemente verschwinden lassen – selbst das tobende Meer wirkt in keiner Weise angsteinflössend. Ein Ansatz, den man vom Meisterregisseur so nicht gewohnt ist. Selbst Ghiblis Vorzeige-Kinderfilm My Neighbor Totoro (1988) behandelt die Themen Wut und Verlust. In Ponyo on the Cliff by the Sea stossen die Hauptfiguren aber – wenn überhaupt – nur auf Probleme und Gefahren, die das Fischmädchen mit einem magischen Fingerschnippen bereinigen kann. Auch eine bedeutende Charakterentwicklung, die über die Metamorphose des Körpers hinaus geht, findet hier nicht statt. Kritik, die sich Miyazaki, angesichts seiner bisherigen Erfolge, durchaus gefallen lassen muss. Andererseits hat der Japaner auch deutlich angekündigt, dass er mit seinem neusten Streich besonders die Kinder als Zielpublikum anvisieren möchte, für die – und auch dafür hat er Kritik einstecken müssen – Howl’s Moving Castle in seiner Vielschichtigkeit schlicht zu kompliziert war.
Miyazaki gelingt trotz der einfachen Story erneut ein kleines Meisterwerk, das auch Erwachsene ausgesprochen gut zu unterhalten vermag. Während im letzten grossen Anime aus dem Studio Ghibli Tales from Earthsea (von Miyazakis Sohn Goro) der magische Funke nur ansatzweise überspringen konnte, kehren die verspielten, emotionalen und niedlichen Momente in seinem neusten Streich wieder zurück. Der Altmeister verzichtet dabei nicht auf seine bewährten Trademarks, sehr wohl aber auf den Einsatz von CGI-Effekten. In den 160’000 handgemalten Einzelbildern wird in Pastelltönen eine herzerwärmende Geschichte erzählt, die erneut Kinder in die Hauptrolle setzt, auf Umweltprobleme hinweist und mit zahlreichen rätselhaften Wesen gespickt ist. Spätestens wenn Ponyo – Brunhild wird sie von ihrem Vater genannt – während eines wütenden Sturmes auf den Wellen reitet und sich die musikalische Untermalung Joe Hisaishis von Wagners Walkürenritt inspirieren lässt, macht sich dieser bewegende Trickfilmmoment auch auf der Hautoberfläche bemerkbar. Miyazaki versteht es wie kein anderer, den Spagat zwischen fantastischen Welten und dem Alltäglichen zu schlagen, und die Zuschauer tief im Herzen zu berühren.
Auch wenn sich das Meer am Ende des Films als amorphes Wellenwesen über das Festland legt, um das Fischmädchen vehement zurückzufordern, zeigen sich die unterschiedlichen Welten schlussendlich versöhnlich. Böse ist bei Miyazaki immer auch Gut und umgekehrt. In dieser Verschmelzung, die besonders in den Figuren zum Ausdruck kommt, versteckt sich einmal mehr sein Ruf nach Toleranz und Verständnis. Seine altbewährte Formel von der Rücksicht auf die Natur verpackt er augenfällig im finalen Zusammenleben von Menschen- und Meereskind. Doch genau so plakativ soll die Botschaft in diesem Familienfilm auch sein, der zwar abrupt endet, aber ein wohlig-warmes Gefühl hinterlässt.
[kkratings]
[hr]
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Tucker and Dale vs Evil (2010)
Originaltitel: –
Land: USA, Kanada
Regie: Eli Craig
Drehbuch: Eli Craig, Morgan Jurgenson
Schauspieler: Tyler Labine, Alan Tudyk, Katrina Bowden, Jesse Moss, Philip Granger, Brandon Jay Mclaren, Crhistie Laing, u.a.
Musik: –
Laufzeit: 89 Minuten
Start CH: 21.07.2011
Verleih: Ascot Elite Home Entertainment
Weitere Infos bei IMDB[/box]
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©Ascot Elite Home Entertainment
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