King Kelly![]() Land: USA Regie: Andrew Neel Drehbuch: Andrew Neel, Mike Roberts Darsteller: Louisa Krause, Libby Woodbridge, Roderick Hill, Will Brill, Joey Auzenne, Aaron Cassara, Ash Christian, u.a. Kamera: Ethan Palmer Schnitt: Brad Turner Musik: Kim Krans, Jonn Ollsin Laufzeit: 84 Minuten Kinostart: – Verleih: GoDigital Media Group Weitere Infos bei IMDB |
Ein Cam-Girl auf Irrwegen
von (dap)
Regisseur Andrew Neel gelingt eine zeitgemässe Satire, welche die medienabhängige Web 2.0-Generation mit einem Augenzwinkern hinterfragt. Zunächst ruhig beobachtend entwickelt sich die Story zu einer nächtlichen Odyssee, die chaotisches Ausmass annimmt.
Die erste Einstellung zeigt einen Computer-Bildschirm: Auf der linken Seite sieht man eine barbusige Blondine, die stöhnt. Sie spricht wiederholt in die Kamera und vergnügt sich mit sich selbst. Auf der rechten Seite sieht man kuriose Namen und Bilder; kurze Sätze und Zahlen, die nach oben hin verschwinden. Es handelt sich um einen Amateur-Porno-Chat, in dem sich das Objekt der Begierde, King Kelly, den Wünschen und Befehlen ihrer „Fans“ fügt, wenn diese sie mit virtuellen Gutscheinen belohnen. Ein treffender Auftakt für einen Film, welcher der Gefühlslage der (amerikanischen) Web 2.0-Gesellschaft auf den Puls fühlen möchte: die voyeuristische Anonymität auf der einen Seite und die exhibitionistische Auslotung zwischen virtuellem und realem Leben auf der anderen. Andrew Neel interessiert sich eindeutig mehr für den zweiten Aspekt, und so handelt der Film von der jungen Blondine Kelly – im Internet eben bekannt als „King Kelly“ –, die eine Karriere als Cam-Girl anstrebt.
Nachdem Kellys Ex-Freund ihren Wagen geklaut hat, erfährt sie von ihrem Dealer-Kumpel, dass harte Drogen darin versteckt waren. Um die angedrohten Konsequenzen zu vermeiden, bricht Kelly gemeinsam mit ihrer Freundin Jordan von einer Party aus auf, um Auto und Drogen wiederzubeschaffen. Es beginnt eine rauschartige Odyssee, in der Kelly auch auf die Hilfe ihres grössten Internet-Bewunderers – Poo Bare –, der sich als durchgeknallter State Trooper entpuppt, angewiesen ist. Der Film legt gehörig an Tempo zu und entführt den Zuschauer auf eine nächtliche Irrfahrt, in der alles möglich scheint. Tatsächlich entwickelt der Film eine Dynamik, die mit Irrungen und Wirrungen nicht geizt, sodass man als Zuschauer kaum voraussehen kann, was als Nächstes passieren wird. Das macht Spass und ist originell. Dass Kelly am Ende jedoch kaum etwas aus ihrem Fehlerverhalten lernt und auch kein Verantwortungsbewusstsein erkennen lässt, untermauert den gesellschaftskritischen Unterton, der diese gelungene Satire stets begleitet.
Neue mobile Medien – allen voran Smartphones – machen es möglich, dass jeder, der über ein solches Mobilgerät verfügt, stets Informationen im Internet erhalten, aber auch bereitstellen kann. Soziale Netzwerke wie Facebook ermöglichen das ständige Verbundensein mit dem Freundeskreis. Man könnte behaupten, das reale Leben werde heutzutage online verwaltet und dokumentiert. So haben die mobilen Geräte mittlerweile die lang proklamierte Isolation der neuen Generation als Trugschluss entlarvt, scheinen soziale Medien junge Menschen doch gerade zu animieren, real aktiv zu werden – um das Erlebte online festzuhalten. Es ist dieser moderne Tatendrang, den King Kelly wunderbar einfängt – der Film besteht wohlgemerkt selbst zu 20% aus Aufnahmen, die mit dem iPhone getätigt worden sind. Dass Regisseur Andrew Neel der gesellschaftlichen Entwicklung nicht unbedingt optimistisch entgegensieht, zeigt das von Chaos bestimmte Ende, auf das die Hauptfiguren frontal zusteuern.
Dabei dauert es eine gewisse Zeit, bis die Handlung in Schwung kommt. Denn zunächst wirft der Film einen dokumentarischen Blick auf seine Protagonistin; man beobachtet, wie sie ihr Leben nahezu rund um die Uhr filmt und weiterverbreitet – sei das beim Proben für einen Wet-T-Shirt-Contest oder am familiären Esstisch –, mit dem Ziel, im Internet gross herauszukommen. Kelly wirkt in ihrem Tun nicht besonders sympathisch: eine selbstverliebte Göre, die sich über jeden lustig macht und mit anstössigen Gesten alles andere als damenhaft wirkt. Nichtsdestotrotz ist die von Louisa Krause verkörperte Figur authentisch, weil sie einen Lebensstil verkörpert, den man heutzutage bei jungen Frauen und Männern – sei es auch nur in handgemachten Internetvideos – vermehrt antrifft. Jugendliche, die offenbar nur an Partys, Drogen und schnellem Sex interessiert sind und sich dabei gegenseitig fotografieren und filmen. Denn wenn es nicht im Internet auftaucht, scheint es für sie nicht real zu sein.
Leave a Reply