The Imposter (2012)![]() Land: USA, Grossbritannien Regie: Bart Layton Drehbuch: Susan Burke, James Ponsoldt Personen u. Darsteller: Frédéric Bourdin, Adam O’Brian, Carey Gibson, Anna Ruben, Beverly Dollarhide, Cathy Dresbach, Charlie Parker, u.a. Kamera: Lynda Hall, Erik Wilson Schnitt: Andrew Hulme Musik: Anne Nikitin Laufzeit: 99 Minuten Kinostart: – Verleih: – Weitere Infos bei IMDB |
Der unechte Sohn
von (dap)
Ein spannender Dokumentarfilm über die unglaubliche Geschichte eines Identitätendiebes, der sich erfolgreich als vermisster Teenager ausgibt und von der Familie des Jungen aufgenommen wird. Detailliert nacherzählt weiss das Thema schnell zu packen, umso mehr, als dass die Geschichte mit einem gelungenen Twist aufwartet – am Ende jedoch bleibt «The Imposter» Antworten schuldig.
Der titelgebende Begriff „Imposter“ steht für eine Person, die sich als jemand anderes ausgibt; ein Betrüger, der die Identität eines anderen Menschen stiehlt. Während die Thematik der „falschen Identität“ in Spielfilmen – z.B. Catch Me If You Can – immer wieder auftaucht, wird man im richtigen Leben höchstens im Internet, wo das Ausprobieren von fremden Identitäten der Anonymität wegen einfacher ist, damit konfrontiert. Eindrucksvoll zeigte das etwa der Dokumentarfilm Catfish. Doch wer traut sich das schon im realen Leben? In seinem Film The Imposter stellt Regisseur Bart Layton eine solche Person vor: Frédéric Bourdin nahm 1997 die Identität eines vermissten Jungen an und wurde von dessen Familie in Texas aufgenommen. Das Kuriose daran: Bourdin war damals bereits 23 Jahre alt, wurde in Spanien „gefunden“ und schlüpfte in die Identität des 16-jährigen Nicholas Barclay, mit dem er äusserlich kaum Ähnlichkeiten aufwies – sogar die Augen- und Haarfarbe stimmte nicht überein.
Der Franzose Fréderic Bourdin ist die tragende Figur des Films, nicht nur weil es seine Geschichte ist, sondern weil er sie auch entsprechend zu erzählen weiss. Mit vielen Close-ups lässt der Regisseur seinen Protagonisten zu Wort kommen und auf sein ungeheuerliches Rollenspiel zurückblicken. Dabei gelingt es Bourdin mit seinem schlitzohrigen Lächeln und seinem Gespür für Details gehörig Spannung aufzubauen. So rollt er die Story chronologisch auf: Eines Nachts in Spanien benachrichtigt er von einer Telefonkabine aus die Polizei. Er behauptet auf der Strasse einen verängstigten Jungen gefunden zu haben und bittet um Hilfe. Als die Polizei eintrifft, schlüpft er selbst in die Rolle des Jungen und wird auf das Revier gebracht. Dort fährt er fort, sein Netz aus Lügen zu spinnen. Er behauptet, er sei aus Amerika, verhält sich ängstlich und eingeschüchtert. Die Polizei glaubt ihm und überlässt ihm ein Telefon, das er allein benutzen darf. Ein entscheidender Moment: Denn das Chamäleon Bourdin wechselt erneut die Rolle, telefoniert in die USA und gibt sich als Beamter aus, der in Spanien einen vermissten US-Jungen gefunden haben soll. Dies wiederum veranlasst die amerikanischen Behörden dazu, zahlreiche Vermisstenanzeigen nach Spanien zu faxen, um den Jungen zu identifizieren. Als Bourdin die Unterlagen von Nicholas Barclay in den Händen hält, wagt er einen Schritt weiter zu gehen und gibt sich als der mittlerweile 16-jährige Nicholas aus Texas aus, der drei Jahre zuvor spurlos verschwunden war.
Somit ist der Anfang einer wahnwitzigen Story erzählt. Nicholas’ Schwester fliegt kurz darauf nach Spanien, um ihren verlorenen Bruder wiederzusehen und nach Hause zu bringen. Tatsächlich entlarvt sie Bourdin – zu dessen eigener Überraschung – jedoch nicht als Schwindler und bringt ihn in die USA, wo er von der Familie merkwürdigerweise liebevoll und ohne Misstrauen aufgenommen wird. Hier beginnt das Mysteriöse des Films langsam Überhand zu gewinnen und als Zuschauer stellt man sich so manche Fragen: Warum fliegt Bourdin nicht auf? Warum spielt die Familie bei dem Theater mit? Was geschah wirklich mit Nicholas? Der Film entwickelt sich zunehmend zu einer Real-Life-Mystery-Doku und fängt an, an der idyllischen Fassade einer amerikanischen Familie zu kratzen. Erinnert wird man dadurch an harte Dokumentarfilm-Kost wie Capturing the Friedmans oder Dear Zachary: A Letter to a Son About His Father, ohne dass jedoch die Intensität und das unterschwellige Grauen der Vorbilder erreicht werden. Dennoch erzeugt The Imposter streckenweise eine dichte Spannung, die von den realen Amateuraufnahmen der Familie – als Bourdin etwa am Flughafen empfangen wird – bekräftigt wird. Eine Geschmackssache sind hingegen die nachgestellten Szenen, die vor allem zu Beginn des Films stark präsent sind; gezeigt werden zum Beispiel die Geschehnisse bei der Telefonkabine oder die erste Begegnung mit der Schwester. Neben Bourdin sowie mehreren Mitgliedern der Familie Barclay (vor allem der Schwester und der Mutter von Nicholas) kommen auch eine pensionierte FBI-Agentin sowie ein betagter Privatdetektiv zu Wort, die damals in die unglaubliche Geschichte involviert waren und sie Revue passieren lassen.
Auch wenn der Film mit einem gelungenen Twist aufwartet und quasi vom Identitätsthriller ins Mystery-Gefilde gleitet: Der Film fasziniert vor allem aufgrund der Dreistigkeit, aber auch der Raffinesse Bourdins. Der zweite Schwerpunkt versandet gegen Ende ein wenig und lässt gewisse Fragen offen, von denen man sich erhofft hätte, dass der Film sie klären würde.
©Super Crispy Entertainment
Leave a Reply