![]() Land: USA Regie: Benh Zeitlin Drehbuch: Lucy Alibar, Benh Zeitlin Darsteller: Quvenzhané Wallis, Dwight Henry, Levy Easterly, Lowell Landes, Pamela Harper, Gina Montana, u.a. Kamera: Ben Richardson Schnitt: Crockett Doob, Affonso Gonçalves Musik: Dan Romer, Benh Zeitlin Laufzeit: 93 Minuten Kinostart: 20.12.2012 Verleih: Ascot Elite Weitere Infos bei IMDB |
“Once there was a Hushpuppy…”
von (dap)
Ein verspielter und ebenso mutiger Independentfilm mit einer hervorragenden Kinderschauspielerin. Regisseur Benh Zeitlin gelingt es durch Kinderaugen einen verträumt realistischen Blick auf das Leben nach der bereits überstandenen und noch drohenden Apokalypse zugleich zu werfen.
Am Sundance Filmfestival anfangs Jahr uraufgeführte, machte der Film Stop an mehreren Festivals und tauchte immer wieder in Bestenlisten auf, bis er nun bei uns ins Kino kam. Benh Zeitlins Debutfilm strotzt geradezu vor Einfallsreichtum und ist ein Paradebeispiel für erfolgreiches Independent-Kino. Das Budget lag unter 2 Millionen US-Dollar.
Im Zentrum der Geschichte steht die Vater-Tochter-Beziehung zwischen der kleinen Hushpuppy und ihrem Daddy Wink. Zusammen leben die beiden in einer Gemeinschaft fernab der Zivilisation, tief in den Sümpfen der Südstaaten, jenseits der Deiche. Das vom Festland abgetrennte Land nennen die Bewohner „Bathtub“ – eine Art postapokalyptisches Überbleibsel von Louisianna, denn viel scheint vom geografischen Süden Nordamerikas nicht mehr übrig geblieben zu sein. Doch was für Erwachsene nach Armut, Dreck und Zerstörung aussieht, ist für ein 6-jähriges Mädchen ein idealer Spielplatz und Entdeckungsort. In einem Wohnwagen, der zu einer Art Baumhaus umfunktioniert wurde, haust Hushpuppy mit ihrem Vater und zahlreichen „Haustieren“. Die Tiere dienen den beiden gleichzeitig als Notration, sollte es noch schlimmer kommen. Abenteuerlustig und entdeckungsfreudig erforscht Hushpuppy die dschungelartige Gegend, glaubt mit den Tieren zu kommunizieren und wird dabei nicht selten von ihrem zornigen Vater, der jedoch alles für seine Tochter tun würde, zurechtgewiesen. Ihre Mutter hat Mann und Kind im Stich gelassen, was die Situation nicht einfacher macht, zumal Wink an einer lebensbedrohlichen Krankheit leidet. Dennoch unternimmt er alles, um seine Tochter auf das Leben vorzubereiten – zeigt ihr wie man fischt, dass man keine Angst vor den ständig wütenden Stürmen zu haben braucht und dass man stark sein muss, wenn man Überleben will. Hushpuppy setzt diese Erkenntnisse auf Ihre Weise mit ihrem fantasievollen Gemüt um. Bis ihr Daddy eines Tages in ein Krankenzentrum kommt und die Kleine tatsächlich auf sich alleine gestellt ist.
Der Zuschauer wird in mehrerer Hinsicht verzaubert. Zu allererst aber von der grossartigen Leistung der jungen Quvenzhané Wallis, die in jeder Szene zu sehen ist, auch aus dem Off erzählt und mit ihrem Temperament dem tristen Ort viel Wärme verleiht. Aber natürlich auch von den eindrücklichen Bildern der postapokalyptischen Dschungel-Trashgemeinde, in der Wohnwagen zu Baumhäusern umfunktioniert werden und verschrottete Autos als Fischerboote dienen – dem Untergang trotzend, um jeden Preis. Zeitlin gelingt es eine von Naturkatastrophen gezeichnete, aber lebensfrohe Welt starker Menschen in den Sümpfen von New Orleans und zwischen bedrohlichen Überresten von Raffinerien und Industriegebieten zu zeigen, fernab der geordneten Zivilisation, die hinsichtlich Katastrophen wie dem Chaos und Verwüstung bringenden Tropensturm Katrina jedoch gar nicht so unwirklich auf “Bathtub” beschränkt zu bleiben scheint. Und das ist auf gewisse Weise erschreckend.
Der realistische Blick auf ein neues Leben nach Tag X wird herrlich von der kindlichen Perpektive der kleinen Protagonistin konterkariert. Darin liegt die Stärke des Films, nämlich den realistischen Alltag dieser Gemeinde, aber auch den Blick durch die Kinderaugen glaubhaft auf einen Nenner zu bringen. So hat es sogar Platz für tiefgefrorene Biester aus der Eiszeit, von denen Hushpuppy immer wieder erzählt und die aufgrund der schmelzenden Eiskappen langsam auftauen – Naturgewalten, die sich bedrohlich ankünden. Diese Verspieltheit gepaart mit den innovativen Bildern machen den Film äusserst unterhaltsam. Einzig könnte man ihm vorwerfen, dass die Geschichte etwas dünn geraten ist, denn Zeitlin klammert sich zu sehr an den Übergangsritus des Mädchens. Doch liegen seine Stärke wiederum im Angebot der vielen Interpretationsmöglichkeiten und der grossen Mehrdeutigkeit, so dass die Abweichung von einer geradlinigen Story zum Konzept passt.
©Ascot Elite
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