Auch 2013 versammelt das NIFFF im Programmschwerpunkt Swiss Shorts fantastische, skurrile und visuell spannende Kurzfilme. Eröffnet wurde das Programm mit Trained (2013, Anthony Jerjen): Bereits im Kindesalter entdeckt der Protagonist seine wundersamen, telekinetischen Fähigkeiten. Obwohl er Jahre später den Berufsweg eines Illusionisten einschlägt, ist seine spektakuläre Gabe nie Teil seines Programms, bis ihm der Varieté-Besitzer mit der Kündigung droht, weil seine Shows nur spärlich besucht werden. Etwas Grosses muss passieren. Vor versammelter Presse will er einen fahrenden Zug zum Stehen bringen – nur mit seinen Gedanken. Bis zu diesem Auftritt wird der Zuschauer im Ungewissen gelassen, ob der Protagonist wirklich mehr bewegen kann, als eine heruntergefallene Gabel. Trained ist eine gekonnt gefilmte Geschichte mit passenden Schauspielern, bei der man genau aufpassen muss, um den Ausgang der Geschichte verstehen zu können. (Trailer bei Vimeo)
Im komödiantisch angehauchten Pocket Rocket (1994-2013, Walter Feistle) erhalten zwei Angler unerwarteten Besuch aus dem All. Anstelle eines dicken Fischs haben sie plötzlich eine Rakete samt Alien am Haken. Aufgeschlossen wie die beiden Eigenbrödler sind, leisten sie dem Ankömmling Pannenhilfe, damit dieser alsbald wieder in Richtung Himmel fliegen kann. Beginnt der Kurzfilm noch spannend und amüsant, so geht ihm am Ende etwas die Luft aus. Ideenreich bleibt er aber allemal. Gedreht wurde Pocket Rocket bereits 1994, blieb bis heute aber verschollen und ist jetzt mit einer neuen Tonspur zurück. Feistles neustes Werk war übrigens die Velokurier-Komödie Dead Fucking Last, die dieses Jahr bereits im Kino zu sehen war.
Die schweizerdeutsch, deutsch, englisch und französisch gesprochene surreale Geschichte Palim Palim (2013, Marina Klauser, Pia Hellenthal) lässt viel Interpretationsspielraum. In einem heruntergekommenen Motel, das von einem schuldenüberhäuften, cholerischen Besitzer nur lieblos geführt wird (Beat Schlatter), sind zwei Teenager mit Suizidabsichten, ein Mann mit mysteriösem Paket und eine Synchronschwimmerinnen-Mannschaft einquartiert. Im Mittelstück etwas zu langsam vorgetragen, bringen die Regisseurinnen ihren Kurzfilm zu einem schrägen und doch gelungenen Finale. Eine “Flasche Pommes Frites” gibts hier übrigens nicht zu entdecken, dafür ein armer Vertreter, der auf 12’000 Butter-Sticks sitzen bleibt.
Im stimmungsvollen Stop-Motion-Film Effort (2013, Eleonora Berra) durchwandert eine Figur ein Labyrinth. An jeder Verzweigung stellt sie sich die Frage, in welcher Richtung es nun weitergeht. Das Problem: an bestimmten Stellen wird ihre Entscheidung indirekt in Frage gestellt und sofort von einer unsichtbaren Hand korrigiert. Die darauf folgende gewaltvolle Befreiung aus der Unterdrückung ist aber nur von kurzer Dauer. Effort zeigt ein symbolisches Bild von Selbst- und Fremdbestimmung; ebenso den Kampf zwischen der Figur und ihrem Schöpfer, dem Animationskünstler.
Entre Ange et Démon (2013, Pascal Forney) lässt ganz klassisch Gut und Böse aufeinandertreffen. Ein Dämon trägt eine Bombe unter dem Arm und bahnt sich zielstrebig einen Weg zur nächsten U-Bahn-Station. Verfolgt wird er dabei von einem Engel, der nicht nur die Verwüstungen aufräumt, die der Dämon auf seinem Weg hinterlässt, sondern – ganz generell gesprochen – auch für das Wohl der Menschheit besorgt zu sein scheint. Bevor es zum grossen Showdown kommt, legen die beiden aber erst einmal eine gemütliche Pause ein, in der sich der Engel, ausserhalb der Arbeitszeit, nicht mehr ganz so erhaben zeigt. Auch wenn Entre Ange et Démon mit seinem Look, Tempo und gekonntem Erzählwitz an einen innovativen Werbespot erinnert, ist der Kurzfilm der amüsanteste Beitrag des Programms. Vor ein paar Jahren war Forney mit Vincent, le Magnifique am NIFFF vertreten.
Richtig kurz wird es dann mit Captain Velvet Meteor (2012, Rinaldo Wirz). In diesem dreiminütigen, animierten Werk, verliert sich ein Junge in seinem Videospiel und wird abrupt aus seiner Fantasie gerissen, als sein Vater die Zimmertür öffnet. Kindheitserinnerung und pure Animationsfreude.
The Crononoaut (2013, Désirée Haupt) lebt ganz besonders von seinem visuellen Aspekt. Inhaltlich bietet sich einem Zeitreisenden die Möglichkeit, über das Schicksal der Menschheit zu entscheiden, nur scheint er immer wieder Fehler zu entdecken und schüttelt die Erde darum kräftig durch. Stellvertretend für die Veränderungen steht eine Szene einer noblen Familie am Mittagstisch. Ein geordnetes Ritual, das langsam durcheinander gerät. In Zeitlupe wird eine Essensschlacht inszeniert, die die Masken der erzwungenen Sitten zum Verschwinden bringt.
In Vice of Mind (2013, Adam Razvi) versucht eine junge Frau ihren alkoholsüchtigen Freund zu ändern. Zeit für eine Familie, Zeit für einen Neuanfang. Während der Mann wie ein wildes Tier nach Getränken sucht, offenbaren dazwischengeschnittene Bilder eine nebulöse Vergangenheit des Pärchens. Wahrscheinlich müsste man den Kurzfilm noch ein weiters Mal anschauen, um die Kernaussage wirklich zu verstehen. Nach der ersten Sichtung trügt der Schein, nicht der Mann, sondern die Frau hat eine Alkohol-Vergangenheit. Vice of Mind endet blutig, angelehnt an die vorherige Interpretation aber nur im übertragenen Sinne.
Das Programm Swiss Shorts gibt es am Freitag 12. Juli 2013 nochmals zu sehen. Zeit 17.30 – 19.00. Alle weiteren Infos unter www.nifff.ch
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