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Das NIFFF preist Yasmine als „allererster Actionfilm aus Brunei“ an, was aufhorchen lässt. In der Tat ist Yasmine sogar einer der ersten Kinofilme seit über 50 Jahren, der im muslimisch geprägten Sultanat produziert wurde. Yasmine ist aber nicht das neue Martial-Arts-Wunder aus dem asiatischen Raum, nicht das Action-Spektakel, das manch einer vielleicht vermuten würde. Siti Kamaluddins Erstlingswerk ist vielmehr ein herziges Teenager-Abenteuer auf den Spuren eines Karate Kid (1984), das sich in seiner Aufmachung kaum von amerikanischen Familienproduktionen unterscheidet. Das beeindruckt, besonders angesichts der Tatsache, dass Kamaluddin den Film mit einer unerfahrenen Crew und unbekannten Schauspielern bewerkstelligte. Für die Kampf- und Stuntchoreographien konnte sie sich aber auf Chan Man Ching, Jackie Chans rechte Hand, verlassen.
Hollywood war ganz klar das Vorbild und so birgt Yasmine für den westlichen Zuschauer leider kaum Überraschungen. Die Geschichte eines Mädchens, das Silat-Champion werden will, nimmt denn auch einen ganz konventionellen Verlauf. Die aufgestellte Teenagerin Yasmine wächst ohne ihre Mutter auf und lebt zusammen mit ihrem Vater, der einen einfachen Bibliothekaren-Job erfüllt, in einem kleinen aber hübschen Häuschen. Ausserhalb des Schulunterrichts zieht sie mit ihren Freunden um die Häuser, sprayt Graffiti und geniesst eine unbeschwerte Zeit. Doch das Schuljahr neigt sich seinem Ende zu und es steht der Wechsel auf eine höhere Schule an. Während ihre Freunde den Weg der Privatschulen weiterverfolgen, muss Yasmine auf eine staatliche Schule wechseln, weil ihr Vater die Gebühr nicht aufbringen kann. Die Eckpunkte sind gesetzt: Yasmine muss sich in einem neuen Umfeld behaupten, ist nicht länger die beliebte Alleskönnerin, sondern Aussenseiterin. Kurzer Rock und trendige College-Jacke muss sie gegen graue, lange Kleider eintauschen. Ihr rebellischer Versuch, ein rotes Kopftuch im Unterricht zu tragen, wird von den Mitschülern belächelt und von den Lehrern missbilligt. Alles läuft schief und auch den Schwarm ihrer früheren Schule sieht sie kaum mehr. Die Lösung findet Yasmine in der Kampfkunst Silat. Sie zeigt aber nicht bloss Talent, sondern scheint schon einige Kenntnisse mitzuführen, ganz im Gegensatz zu ihren beiden Mitstreitern, ein grossgewachsener Junge und ein übergewichtiges Mädchen. Bald wird auch klar, dass Yasmine Silat nicht nur zum Zeitvertreib lernt. Der Schwarm der alten Schule soll mehr Aufmerksamkeit auf sie richten und weniger auf ihre Rivalin. Was liegt also näher, als an der Schulmeisterschaft teilzunehmen, ein Turnier, an dem die besten Kämpfer aller Schulen ermittelt werden. Das Problem: Es ist ein Teamwettkampf und Yasmine ist auf ihre Mitstreiter angewiesen. Leider ist auch ihr Silat-Lehrer, im trendigen Bruce-Lee-Anzug, keine grosse Hilfe und verweist die Jugendlichen aufs Internet und alte Bücher. Weiteres Ungemach droht: Yasmines Vater verbietet ihrer Tochter das Ausüben des Kampfsports, weil er es für zu gefährlich hält und verordnet zusätzliche Privatlektionen im Lesen religiöser Schriften. Sturkopf Yasmine findet aber auch hier einen Ausweg, sucht sich einen neuen Lehrer und treibt ihre Kameraden, die längst zu guten Freunden geworden sind, zu Höchstleistungen an, so dass die Aussenseiterin, allen Widerständen zum Trotz, natürlich im Final landet und gegen ihre ärgste Widersacherin antreten darf.
Regisseurin Kamaluddin zeigt kein exotisches Brunei, auch verzichtet sie, Silat ausgenommen, auf die Darstellung traditioneller und landesspezifischer Elemente, was in der Endbetrachtung doch etwas schade ist. Dabei darf nicht falsch verstanden werden, dass der Film Realität verändern oder vertuschen würde, der Film zeigt vielmehr den normalen (Film-) Alltag einer behüteten Teenagerin, erzählt auf stets unterhaltsame Weise, wie es dutzende Hollywood-Filme bereits vor ihr getan haben. Die Leistung dieses Werks ist denn auch besonders darin zu sehen, dass Kamaluddin mit ihrem Erstlingswerk einen so runden und stimmigen Film abliefern konnte, was die Filmproduktion in Brunei, Geld wäre dank Bodenschätzen vorhanden, auch entsprechend ankurbeln dürfte.
Yasmine hat am NIFFF 2014 den Preis für den besten asiatischen Film (Asiatischer Wettbewerb) erhalten.
Yasmine Land: Brunei Regie: Siti Kamaluddin, Chan Man Ching Drehbuch: Salman Aristo Schauspieler: Arifin Putra, Reza Rahadian, Liyana Yus, Carmen Soo, Dian P. Ramlee, u.a. Kamera: James Teh Schnitt: Cesa David, Luckmansyah Laufzeit: 105 Minuten Verleih: Origin Films Weitere Infos bei IMDB |
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