von (dap)
Alex Garlands Debütfilm überzeugt in allen Belangen. Das realistische Setting stellt zunächst die technische Faszination für künstliche Intelligenz in den Vordergrund, während der Film aufgrund seiner kammerspielartigen Konstellation zunehmend an Komplexität und Spannung gewinnt und schliesslich unvermeidbare, moralische Abgründe aufreisst.
Künstliche Intelligenz ist ein gern gesehenes Thema im grossen Hollywood-Kino. Oftmals handeln Filme wie Matrix oder I, Robot davon, wie von Menschen erschaffene Maschinen ihr eigenes Bewusstsein entwickeln und ihren Schöpfern plötzlich in allen Belangen überlegen sind. Meistens geht es den Menschen irgendwann an den Kragen, sie werden zur bedrohten Art, die den unverwundbaren, anpassungsfähigen und intelligenten Apparaturen unterlegen sind. Alex Garlands Überraschungshit Ex Machina unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht von den oben genannten Werken, ohne auf das bedrohliche Element, das sowohl von Mensch als auch Maschine ausgeht, zu verzichten. Sein Film ist ein ruhiges, beobachtendes Kammerspiel. Mit einem realistischen, sehr reduzierten Setting handelt der Film von einem (künstlich)-soziologischen Experiment, initiiert von einem Computer-Genie, das als eine radikalere Version eines Bill Gates oder Mark Zuckerbergs auftritt.
Der talentierte Programmierer Caleb erhält die Chance seinen Boss Nathan, das Wunderkind der Computer-Szene, persönlich kennenzulernen und eine Woche mit ihm zu verbringen. Per Helikopter wird er in eine menschenleere Naturkulisse geflogen, die von Wasserfällen, Bergen und Wäldern geprägt ist. Inmitten dieser Landschaft steht ein Haus, ein Forschungszentrum, aber auch Hochsicherheitstrakt mit topmodernem Design. Nathan, sein Arbeitgeber und Erfinder eines bahnbrechenden Codes, empfängt den jungen Computerspezialisten freundschaftlich und bricht früh das Eis: Caleb soll ihm hier nicht in der Arsch kriechen, meint er, sondern ihn eben wie einen normalen Kumpel behandeln. So tritt Nathan auch auf, mit kurzen Hosen und trägerlosem Shirt trainiert er am Boxsack, um seinen Kater vom Vorabend auszuschwitzen. Ein Genie verhält sich anders, würde man meinen. Nachdem Caleb eine Geheimhaltungsvereinbarung unterschrieben hat, weiht ihn Nathan in sein Vorhaben ein. Caleb soll an einer abgewandelten Form des Touring-Tests teilnehmen, indem es um die Erkennung von künstlicher Intelligenz geht. Der Unterschied: Caleb weiss, dass es sich um einen Roboter handelt, was beim herkömmlichen Tests nicht der Fall ist.
Alex Garland legt mit Ex Machina ein fesselndes Debüt vor, dabei ist der Engländer kein Unbekannter. Als Schriftsteller gelang ihm mit “The Beach” ein Bestseller, der später mit Leonardo DiCaprio in der Hauptrolle von Danny Boyle verfilmt wurde. Und mit Boyle arbeitete Garland in seiner filmischen Karriere weiterhin zusammen, schrieb die Drehbücher zu 28 Days Later… und Sunshine. Der Einfluss von Boyle ist auch hier spürbar, vor allem was das schnelle, umweglose Eintauchen in die Geschichte angeht. Die Figuren sind authentisch, wirken frisch und geheimnisvoll. Oscar Isaac, der bei den Coen-Brothers in Inside Llweyn Davis die Hauptfigur spielte, ist mit Bart, Glatze und Muskeln als Nathan kaum widerzuerkennen. Caleb-Darsteller Domhnall Gleeson – der Sohn von Brandon Gleeson – wirkt unverbraucht und glaubwürdig. Das gilt auch für die aufstrebende Schwedin Alicia Vikander, die Ava den Roboter verkörpert.
Avas transparenter, von Prothesen geformter und von Kabeln durchzogener Körper ist bedeckt von einzelnen, künstlichen Hautpartien. Insbesondere ihr Gesicht ist menschlich, ausdrucksstark und wunderschön. Ihre Bewegungen wirken elegant und nahezu geräuschlos. Fortan ist der Film in einzelne Kapitel, sogenannte Sessions zwischen Caleb und Ava unterteilt. Caleb testet die Intelligenz und die menschlichen Züge der schönen Roboter-Frau, während Nathan alles mit seinen Kameras überwacht und aus der Ferne beobachtet.
Als Zuschauer identifiziert man sich von Beginn an mit Caleb, teilt mit ihm den Wissenstand der Handlung. Gleichzeitig macht sich gegenüber den anderen Figuren gegenüber ein gewisses Misstrauen bemerkbar: Was führt Nathan tatsächlich im Schilde? Was hat es mit seinem stummen japanischen Hausmädchen auf sich? Und wie selbstgesteuert ist Ava wirklich? Während den Sessions kommt es wiederholt zu Unterbrüchen der Stromzufuhr im Haus – es sind Momente, in denen Caleb und Ava alleine und unbeobachtet sind. Ava nutzt diese Gelegenheiten, um Caleb vor Nathan zu warnen. Doch was wenn Nathan gerade dies inszeniert? Oder wenn Ava eigene Pläne schmiedet? Fasziniert vom innovativen Fortschritt, ist Caleb von Avas Aussehen und ihrer Zuneigung ihm gegenüber nicht minder angetan. Während es die erste Hälfte des Films ruhiger angeht und von dem Reiz des Experiments getragen wird, verdichtet sich die zweite Hälfe zunehmend zum Horrorfilm, worin auch Ur-Elemente des Genres beschworen werden – Frankenstein und das Gruselkabinett inklusive. Der nicht eindeutige Titel lässt sich auf verschiedene Weise interpretieren, so auch als Vorwegnahme des Endes. „Deus ex machina“, griechisch: „Gott aus der Maschine“ – ohne diesen Gott wird die Maschine aber zu etwas anderem, sie ist keine Maschine mehr.
Ex Machina Land: Grossbritannien Regie: Alex Garland Drehbuch: Alex Garland Schauspieler: Domhnall Gleeson, Corey Johnson, Oscar Isaac, Alicia Vikander, Sonoya Mizuno, u.a. Kamera:Rob Hardy Schnitt: Mark Day Musik: Geoff Barrow, Ben Salisbury Laufzeit: 108 Minuten Kinostart: 23.04.2015 Verleih: © 2015 Universal Pictures International Switzerland Weitere Infos bei IMDB |
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