![]() Land: Grossbritannien Regie: Phyllida Lloyd Drehbuch: Abi Morgan Darsteller: Meryl Streep, Anthony Head, Jim Broadbent, Harry Lloyd, Richard E. Grant, Olivia Colman, Ronald Reagan, u.a. Kamera: Elliot Davis Schnitt: Justine Wright Musik: Clint Mansell, Thomas Newman Laufzeit: 105 Minuten Kinostart: 01.03.2012 Verleih: Pathé Films Weitere Infos bei IMDB |
Wie der Teufel das Weihwasser
von Sarah Stutte
…fürchtete Alt-Kanzler Helmut Kohl in den 80ern sein englisches Regierungspendant Margaret Thatcher. Als haushohe Favoritin ebenso gefürchtet war an der diesjährigen Oscar-Verleihung Meryl Streep, die die ehemalige Machtinhaberin im Film «The Iron Lady» verkörperte. Sie lieferte in dieser behutsamen Story mit spannendem Blickwinkel eine Glanzleistung ab.
Die ehemalige Premierministerin Grossbritanniens, Margaret Thatcher (Meryl Streep), lebt in fortgeschrittenem Alter zurückgezogen in einer kleinen Wohnung in London. Durch mehrere Schlaganfälle geschwächt, zeigt sie Symptome einer beginnenden Altersdemenz. Als sie vermehrt Zwiegespräche mit ihrem längst verstorbenen Gatten Denis (Jim Broadbent) führt, bittet das ratlose Personal Tochter Carol (Olivia Colman) um Hilfe. Diese drängt ihre Mutter dazu, sich endlich von allen Sachen des toten Ehemannes zu trennen. Margaret Thatcher sieht sich dazu nicht in der Lage, weil die Vergangenheit ihre Zuflucht ist. Im Laufe des Tages erinnert sich die einst mächtigste Frau Englands an die prägenden Stationen ihres Lebens. Als Tochter eines politisch engagierten Gemischtwarenhändlers lernte sie schon früh, sich in einer von Männern dominierten Welt zu behaupten. Ihrem eisernen Willen verdankte sie Anfang der 60er ihren Aufstieg in der konservativen Partei, eine Karriere, die 1979 in der Wahl zur ersten Regierungschefin Europas ihre Krönung fand. Thatchers restriktive Reformen brachten im Laufe ihrer elfjährigen Amtszeit zwar Englands Wirtschaft in Schwung, ebenso aber Gegner auf den Plan. Und letztendlich forderte das zähe Ringen um Macht auch seinen privaten Tribut…
Unzählige Preise hatte Meryl Streep schon eingeheimst, bevor sie Mitte Januar den Golden Globe und letzte Woche nun den Oscar für ihre Rolle als Margaret Thatcher bekam. Zu Recht. Streep sieht, dank einer bemerkenswerten und ebenfalls Oscar-gewürdigten Maske, nicht nur aus wie die ehemalige Premierministerin, sie lebt sie geradezu. Meryl Streep reizt ihr unglaubliches schauspielerisches Talent bis zum I-Tüpfelchen aus und liefert eine One-Women-Show erster Güte. Leider liessen viele Filmkritiker nur an der grandiosen Schauspielerin ein gutes Haar – nicht jedoch an der Story. Zu Unrecht. Zwar geschieht der Wechsel zwischen Vergangenheit und Gegenwart häufig, nie aber ist er unübersichtlich. Detailliert werden die Locations und Jahrzehnte anhand zeitgenössischer Requisiten, Kleider und des schon erwähnten Make-Ups gekennzeichnet. Des Weiteren wurde bemängelt, dass das Biopic politische Ereignisse wie den Falklandkrieg, die Poll Tax Riots, den IRA-Bombenanschlag, dem Thatcher nur knapp entkam, oder die deutsche Wiedervereinigung nur oberflächlich behandle. Dies mag schon sein. Doch dafür gibt es schliesslich Geschichtsbücher. Filme bieten andere Möglichkeiten. Und diese nutzen Regisseurin Phyllida Lloyd (Mamma Mia, ebenfalls mit Streep in der Hauptrolle) und Drehbuchautorin Abi Morgan (Shame) durchaus aus: Ihr Versuch, nicht zu sehr auf die Staatsführerin Thatcher zu fokussieren, sondern dem Menschen dahinter ein Gesicht zu geben, ist trotz oder gerade wegen der Fiktion mutig, interessant und vor allem schlüssig. Thatcher wird als Frau dargestellt, die rückblickend bereut, ihre politische Karriere immer an erster Stelle gesehen zu haben; entsprechend rückt der Film die familiären Bindungen ins Licht. Gerade diese Szenen zählen zu den stärksten: Eine zwar alte, doch immer noch stolze Margaret Thatcher, die beim Arzt mit rhetorischer Brillanz aufbegehrt. Eine Tochter, die sich am Bett ihrer Mutter verstohlen die Tränen aus dem Gesicht wischt, aus Verzweiflung über deren Zustand. Ein Ehemann (ebenfalls toll: Jim Broadbent), der seiner Frau erst in ihrer Erinnerung wirklich nahe zu sein scheint. Der liebevoll-sarkastische Umgang der beiden in ihrer Vorstellung: ein berührender Versuch, die versäumten Jahre nachzuholen. Die junge Margaret nimmt Denis’ Heiratsantrag im Film zwar an, bekräftigt gleichzeitig aber energisch, dass sie später nicht beim Abwaschen einer Tasse in der Küche sterben will. Wenn sie dann im hohen Alter leise diese Tasse abspült, ist dies eindrücklicher als jedes politische Statement, das hier hätte wiedergegeben werden können.
Vielleicht war sie so. Vielleicht auch anders. Der unaufgeregte Blick hinter die Kulissen einer ehrgeizigen Frau, die viel erreicht hat, viel verloren hat und heute immer noch umstritten ist, ist jedoch nicht nur wegen Streeps umwerfender Performance sehenswert. Er zeichnet das Bild einer unstillbaren Sehnsucht nach Unabhängigkeit, erzählt von Trauer, Verlust und dem Wiederfinden der eigenen Stärke. Ob man nun Politikerin war oder nicht, man ist und bleibt doch immer Mensch.
©Pathé Films
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Toll gemacht, Schauplätze, Story, Maske. Meryll Streep kann es. Großes Kino!