![]() Land: Deutschland Regie: Christian Petzold Drehbuch: Christian Petzold Darsteller: Nina Hoss, Ronald Zehrfeld, Jasna Fritzi Bauer, Rainer Bock, Christina Hecke, Claudia Geisler, u.a. Kamera: Hans Fromm Schnitt: Bettina Böhler Musik: Stefan Will Laufzeit: 105 Minuten Kinostart: 14.06.2012 Verleih: Look Now! Weitere Infos bei IMDB |
Zwischen Rembrandt und Ofenrohr
von Barbara Lussi
Wo die Liebe hinfällt – dieses Mal: in die DDR, zwischen Strafversetzte und Chefarzt. Aber “Barbara”, ausgezeichnet mit dem silbernen Bären, ist nicht das Portrait eines Unterdrückerstaates, dem die reine, befreiende Liebe entgegengesetzt wird. Stattdessen: das Portrait von Liebe, die aus Misstrauen wächst.
1980, in der DDR: Nachdem ihr Ausreiseantrag abgelehnt wurde, wird die Ärztin Barbara (Nina Hoss) von der Berliner Charité in ein Provinz-Hospital an der Ostseeküste zwangsversetzt. Dort, angekommen in der Kinderchirugie, geleitet von Chefarzt Andre Reiser (Ronald Zehrfeld), wartet bereits das wachsame Auge der Stasi: Vom ersten Tag an hat der örtliche Stasi-Offizier Klaus Schütz (Rainer Bock) Barbara im Blick, inspiziert regelmässig ihre Wohnung, durchwühlt ihre Schränke, macht auch vor Barbaras Körper nicht Halt.
Barbara fügt sich dem aufgezwungenen Job, fügt sich den Stasi-Kontrollen, schäbig wohnend, aber adrett gekleidet, tut ihren Job, nur darauf wartend, dass sie mit ihrem Geliebten Jörg fliehen kann, der in der BDR die Fäden für die gemeinsame Flucht nach Dänemark zieht. Mal ist es eine Kellnerin, die ihr auf der Damen-Toilette Geld überreicht, mal übergibt es ihr Jörg bei Freiluft-Amusement im Wald selbst, zwischen Strumpfhosen und Zigaretten verpackt.
Das Geld sorgsam im Ofenrohr versteckt, misstrauisch und distanziert gegenüber Kollegen, wartet Barbara auf den Tag der Flucht; isst lieber allein als mit anderen, fährt lieber Fahrrad als bei Andre im Auto mit, nachdem dieser bei dem einen Mal, als sie einstieg, nicht einmal nach der Adresse fragen musste.
Barbara hat das Geld und alle Habe zusammen, ist zur Flucht in den Westen bereit – wäre da nicht Ausreisserin Stella (Jasna Fritzi Bauer), der sich die Ärztin angenommen hat und wäre da nicht Andre, dem sie subtil und widerwillig, aber Schritt für Schritt näherkommt…
Ein Film über die Liebe, die vor sich selber auf der Hut ist, der zeigt, was zwischen den Menschen ist – diese spezifische Form von Liebe, die das DDR-Verhältnis hervorbringt, wie’s Petzold erklärt. Mag sein, dass die hier gezeigte Liebesgeschichte den Umständen entsprechend eine spezifische ist – aber auf der Hut ist sie dann doch nicht: Die Liebesgeschichte, die Petzold – gleichzeitig zuständig fürs Drehbuch – hier erzählt, ist im ersten Aufeinandertreffen von Barbara und Andre zu erahnen. Allzu offensichtlich, wie Andre sie an ihrem ersten Tag mit einem Lächeln im Gesicht vom Fenster aus beobachtet, allzu offensichtlich die Blicke, die er ihr zuwirft, das grenzenlose Verständnis, das er ihr entgegen bringt, ob sie nun seine fachliche Meinung infrage stellt oder zu spät kommt; allzu offensichtlich auch all die kleinen Gesten – die Steckdose, die er richten lässt, das Klavier, das er stimmen lässt, der Kaffee, den er ihr bringt – und die imponierende Eigeninterpretation des Rembrandts, der im Labor hängt. Wenigstens merkt’s Barbara, die Andres Kunst-Ausführungen mit «Ein bisschen angeberisch – erst das Labor, dann die Bildinterpretation…» quittiert – und dem Arzt dann doch verfällt. So wird aus dem Entscheid zu gehen oder zu bleiben der Entscheid: Jörg oder Andre?
Dunkel geschminkt und mit streng verzogenem Gesicht spielt sich Nina Hoss durch das DDR-Drama, konstant rauchend und nur selten am lächeln. «Berlin, aber sowas von», nennen es die filmischen Ärzte-Kollegen, die – wie Andre einmal sagt – empfindlich auf die Hauptstadt reagieren. Anstelle von Dialogen sprechen Blicke für das Nicht-Gesagte, für alles, was im Misstrauen keine Worte findet oder nur angetönt wird; im Gegensatz zu Zehrfeld, selbst in der DDR aufgewachsen, bekommen Hoss die wenigen Worte, während Zehrfelds Andre in seiner augenfälligen Liebestollheit zwar sympathisch, dann und wann aber wenig authentisch scheint. Umso überzeugender dafür Bock im Spagat zwischen eisernem Stasi-Offizier und gebrochenem Ehemann.
Gleich, dass der Film in seiner Wortlosigkeit einige Längen aufweist, gleich, dass die Geschichte liebestechnisch absehbar ist und gleich, dass das eine oder andere Detail fraglich scheint – versteckt Barbara Jörgs Geld trotz regelmässiger Kontrollen zu Hause, kommt Bock bei aller Gewissenhaftigkeit nie auf die Idee, das Ofenrohr zu durchsuchen und bemerkt er nicht, dass Barbara eine Nacht im Hotel verbringt, wo er doch immer vor ihrem Haus parkiert und die eigenwillige Berlinerin beobachtet –: für Fans der leisen Töne lohnt sich der Gang ins Kino.
©Look Now!
©Look Now!
Leave a Reply