Oldboy
von (aus)
Spike Lees Oldboy-Remake kann für sich stehen und funktioniert zu einem grossen Teil als spannender und unterhaltsamer Thriller. Geschuldet ist dies aber definitiv der grossartigen Vorlage und nicht dem Schaffen des Regisseurs. Dennoch kann Lees Remake zu keiner Zeit die Faszination seiner Vorlage erreichen.
Der Werbemanager Joe Doucett (Josh Brolin) wird entführt und für 20 Jahre in einem geheimen Raum eingesperrt. Es ist keine düstere und dreckige Zelle, vielmehr ein kleines Hotelzimmer ohne Tageslicht. Ein sehr beengendes Szenario. Immerhin hat er einen Fernseher zur Unterhaltung und bekommt täglich eine Ration Teigtaschen. Allerdings erfährt er auch bald, dass er in der Öffentlichkeit für den Mord an seiner Ex-Frau verantwortlich gemacht und von der Polizei gesucht wird. Seine Entlassung folgt so überraschend wie seine Entführung. Warum er all die Jahre eingesperrt, am Leben erhalten und warum er wieder auf freien Fuss gesetzt wurde, weiss er nicht. Es beginnt die Suche nach Gründen und nach seinem Peiniger.
Die Aufgabe hätte für Spike Lee nicht schwieriger sein können. Bereits mit der Ankündigung, dass in Hollywood ernsthaft darüber nachgedacht wurde, den südkoreanischen Rache-Klassiker Oldboy von Park Chan-wook fürs amerikanische Publikum zu adaptieren, liess eine hohe Protestwelle der Fans des Originals über die Traummaschine schwappen, die bis heute nicht abreisst. Dass zu einem frühen Zeitpunkt Nicolas Cage (Knowing, Ghost Rider) für die Hauptrolle im Gespräch war, trug ebenfalls nicht zur Beruhigung der Gemüter bei. Auch mit der Wahl des Regisseurs Spike Lee (Inside Man), der sein Handwerk zwar versteht und solide Arbeiten abliefert, aber eben auch nicht der Begnadetste seines Fachs ist, liess die Skepsis weiter bestehen. Die Wogen begannen sich erst dann ein ganz klein wenig zu glätten, als bekannt wurde, dass Josh Brolin (No Country For Old Men) in die Fussstapfen von Choi Min-sik treten würde.
Spike Lees Remake als eigenständigen Film abzuhandeln fällt schwer. Zu stark drückt das südkoreanische Original an allen Ecken und Enden durch. Zu wenig konsequent versucht Lee den Film zu seinem ganz eigenen zu machen. Seine beschwichtigende Ansage im Anfangsstadium der Produktion, sich viel stärker auf die ursprüngliche Vorlage, den Manga der Japaner Garon Tsuchiya und Nobuaki Minegishi (Veröffentlichung: 1996-98), zu beziehen, als auf Parks eigenwillige filmische Interpretation, war nur Strategie. Lees Oldboy ist kein Film Noir geworden wie der Manga, bei der sich die Figur ratlos und verloren fühlt, detektivisch nach Hinweisen sucht, um am Schluss den Grund seiner Bestrafung in einer wahrlichen Banalität zu finden. Lee bedient sich gezielt zahlreicher Elemente von Parks Original, inklusive der unangenehmen Pointe am Schluss – wenn auch als Variation -, übernimmt wenige Einstellungen sogar identisch, wie zum Beispiel der Kampf im Lift und verneigt sich vor Parks eigenen Ideen – der Kalmar wird nicht verspeist sondern nur im Aquarium gezeigt. Soweit so gut: aber, Lee schwankt richtiggehend, scheint sich nicht ganz sicher zu sein in welche Richtung er in seiner Inszenierung nun gehen soll. Parks poetische Bildsprache mit seinen surrealen Momenten will Lee eigentlich gar nicht kopieren, kann sich davon aber auch nicht emanzipieren. Lee will den Weg einer realistischen Umsetzung gehen, hält sich dann aber nicht an seine eigene Vorgabe, weil ihm einige ikonografische Bilder zu wichtig erscheinen, als sie einfach unter den Tisch fallen zu lassen oder sie auf eigene Art zu interpretieren. Stichwort: Hammer. Stichwort: Teigtaschen. Stichwort: Gewalt. Dass im asiatischen Kino Gewaltdarstellung deutlich beiläufiger in die Filme eingestreut wird und selbst ausserhalb des Genre-Kinos seine ganze Durchschlagskraft ausschöpft, ist bekannt. Spike Lee hält sich da, verhältnismässig gesehen, deutlich zurück, schlägt aber dennoch über die Stränge, wodurch es mehrfach zum Stilbruch kommt. Hätte er aus diesem Remake wirklich seinen eigenen Film machen wollen, hätte er auch auf den Bezug zu Asien verzichten müssen. Warum wird in einem illegalen amerikanischen Gefängniskomplex, der von Samuel L. Jackson mit Gremlin-Frisur regiert wird, ebenfalls konsequent asiatisches Fast-Food serviert? Hätten es Rippchen oder Chicken Wings nicht auch getan?
- ©2014 Universal Pictures. Alle Rechte vorbehalten.
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Lee scheitert leider in vielen Szenen, die man eigentlich gar nicht falsch machen kann. Er setzt oft falsche Spannungsmomente und überspringt sie an jenen Stellen, an denen sie wichtig wären. Dies ist mitunter auch dem nur durchschnittlichen Drehbuch von Mark Protosevich (I am Legend, The Cell) geschuldet. Verliert Parks Protagonist Oh Dae-su im Gefängnis langsam aber sicher den Verstand, wird euphorisch über kleine Dinge, zeigt sich über all die Jahre zermürbt und kaputt, versucht sich akribisch an irgendwelche Schandtaten zu erinnern, die der Grund für seine Bestrafung sein könnten, so lässt Protosevich seinen Protagonisten seitenlange Briefe an die Tochter schreiben, als seelischer Befreiungsschlag für eine Tat, die er nicht begangen hat. Auch die Glaubwürdigkeit zum Schlüsselpunkt in der Geschichte mit der Frage, wie man Menschen zusammenbringt und besonders dazu, etwas zu tun, ohne sie zwingen zu müssen, kann Lee mit seinem Team nicht schlüssig erklären. Was die Südkoreaner grossartig mit mysteriöser Hypnose und Schlüsselreizen angehen, versucht Lee mit geplanter Erziehung, Ausbildung, moralischen und ethischen Werten zu begründen. Auch das funktioniert, aber wahrscheinlich ist dies einer der wenigen Punkte, die Lee eben bei seinen Ursprüngen hätte belassen sollen.
Was Spike Lee in seiner Inszenierung und in den ersten zwei Dritteln des Drehbuchs vermissen lässt, gelingt ihm überraschenderweise mit der Heranführung ans grosse Finale und der Auflösung der Umstände. Hier macht Lee den Film endlich zu seinem Ding, bleibt gesellschaftskritisch und modern, wirkt selbst für Kenner des Originals erfrischend. Und genau darum lohnt es sich auch das Remake anzuschauen. Lee erfindet das Rad nicht neu, aber hier drückt erstmals die Verzweiflung und die Erschütterung des Protagonisten durch, die sich auch auf die Zuschauer überträgt. Spike Lees Oldboy-Remake kann für sich stehen und funktioniert zu einem grossen Teil auch als spannender und unterhaltsamer Thriller. Geschuldet ist dies aber definitiv der grossartigen Vorlage und nicht dem Schaffen des Regisseurs.
Oldboy (USA, 2013) Ton: DTS Digital Surround 5.1 (D, F, I, E), DTS-HD Master Audio 5.1 (GB) Bild: 2,40:1 Widescreen in High-Definition Untertitel: D, GB, F, I, E FSK: 16 DVD u. Blu-ray: 10.04.2014 Regie: Spike Lee Darsteller: Josh Brolin, Elizabeth Olsen, Sharlto Copley, Samuel L. Jackson, Michael Imperioli, u.a. Drehbuch: Mark Protosevich, (Manga: Garon Tsuchiya, Nobuaki Minegishi) Musik: Roque Baños Vertrieb: Universal Pictures Germany Weitere Infos bei IMDB |
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